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Kündigung während der Elternzeit

LAG Rheinland-Pfalz Urteil v. 06.09.2021 (1 Sa 299/20) - Zur Kündigung eines Arbeitsverhältnisses wegen Trunkenheitsfahrt und Führerscheinverlust

Das LAG Rheinland – Pfalz gab in seinem Urteil vom 6.9.2021 einem Arbeitnehmer recht, dessen Arbeitsverhältnis wegen einer privaten Trunkenheitsfahrt mit einem Dienstwagen gekündigt wurde.

 

Der Fall betraf einen seit 1999 beschäftigten Key – Account-Manager eines Chemieunternehmens, der regelmäßig Kunden zu besuchen hatte. Der Arbeitgeber hatte ihm zu diesem Zweck einen Dienstwagen überlassen, dessen private Nutzung dem Arbeitnehmer gestattet war. Es bestand ein vertragliches Alkoholverbot. Dagegen verstieß der Arbeitnehmer im Anschluss an eine private Geburtstagsfeier, indem er mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,8 Promille bei überhöhter Geschwindigkeit von der Straße abkam und einen Sachschaden von Euro 18.000 an dem Fahrzeug verursachte. Dem Arbeitnehmer wurde vom Amtsgericht die Fahrerlaubnis entzogen und eine zwölfmonatige Sperrfrist für die Wiedererteilung verhängt. Noch bevor der Arbeitgeber hierauf reagierte, schlug der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber für die Zeit des Führerscheinentzugs eine Überbrückungsmaßnahme vor: Er bot an, auf eigene Kosten einen Fahrer anzustellen, der ihn zu Kunden bringen solle. Der Arbeitgeber ließ sich auf das Angebot nicht ein, sondern reagierte mit einer außerordentlichen Kündigung, gegen die der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhob. In der Folge begab sich der klagende Arbeitnehmer in psychologische Behandlung. Nachdem mehrere Testungen auf Alkohol negativ verliefen, hatte nach Fristablauf sein Antrag auf Neuerteilung einer Fahrerlaubnis Erfolg.

 

Die Kündigungsschutzklage war erfolgreich, weil die Kündigung gegen ein grundlegendes Prinzip des Kündigungsrechts verstieß. Das Kündigungsrecht wird vom sog. Ultima – Ratio – Prinzip beherrscht, d.h. der Arbeitgeber hat in jedem Fall zu versuchen, die Kündigung durch andere geeignete und zumutbare Maßnahmen zu vermeiden.

 

Zwar stellte das LAG zunächst fest, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis für sich genommen einen Umstand darstelle, der an sich geeignet sei, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung aus personenbedingten Gründen abzugeben. Für Berufskraftfahrer habe dies das BAG in ständiger Rechtsprechung auch für den Fall angenommen, dass die Entziehung auf einer im Zustand der Trunkenheit außerhalb der Arbeitszeit durchgeführten Privatfahrt beruhe. Entsprechendes gelte, wenn das Führen eines Kraftfahrzeugs zwar nicht die alleinige, jedoch eine wesentliche Verpflichtung aus dem Arbeitsvertrag darstelle, weil die Haupttätigkeit ohne Firmenfahrzeug nicht ausgeübt werden könne (BAG vom 14. Februar 1991 – 2 AZR 525/90).

 

Da der Kläger im konkreten Fall nicht Berufskraftfahrer sei, sondern seine geschuldete Haupttätigkeit in der Betreuung von Kunden bestehe, komme es darauf an, ob er diese Haupttätigkeit ohne Firmenfahrzeug ausüben könne. Vorliegend habe der Kläger bereits vor Zugang der Kündigung den Vorschlag unterbreitet, für die Zeit des Führerscheinentzug auf eigene Kosten einen Fahrer einzustellen, um auswärtige Termine wahrzunehmen. Eine solche Möglichkeit komme als milderes Mittel gegenüber eine ansonsten auszusprechenden Beendigungskündigung in Betracht und sei vorliegend weder aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen noch der Beklagten unzumutbar.

 

Das LAG prüfte darüber hinaus die außerordentliche Kündigung unter dem Gesichtspunkt einer schuldhaften Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten.

 

Das Führen des Dienstwagens unter erheblichem Alkoholeinfluss, so das LAG, stelle eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dar, auch wenn dies außerhalb der Arbeitszeit geschehe. Der Arbeitnehmer verletzte damit auch ohne ausdrückliche Regelung die ihm nach § 242 Abs. 2 BGB obliegende Nebenpflicht, ihm vom Arbeitgeber überlassenen Betriebsmittel keiner Gefährdung auszusetzen.

 

Die Pflichtverletzung sei vorliegend auch nicht von unerheblichem Gewicht, sie beschränke sich – so kam das LAG in seiner Begründung dem Kläger entgegen – in ihren Auswirkungen allerdings auf die Beschädigung des Kfz, wofür die Beklagte bei dem Kläger Ersatz verlangen könne. Die vorübergehende Erschwerung der Ausübung der vertraglichen Tätigkeit infolge des Entzugs der Fahrerlaubnis könne mit zumutbaren Überbrückungsmaßnahmen abgewendet werden und bestehe nicht dauerhaft. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung hätten auch keine Tatsachen vorgelegen, die eine Prognose dahingehend rechtfertigten, der Kläger werde die Fahrerlaubnis nicht wieder oder zu spät erhalten. Die Gefahr einer Wiederholung könne – wie bei jeder anderen Pflichtverletzung – zwar nicht völlig ausgeschlossen werden, sei aber gering. Der Kläger habe sich unmittelbar nach dem Vorfall mit psychologischer Unterstützung mit dem Problem und den Ursachen des eigenen Alkoholkonsums auseinandergesetzt und die Fahrerlaubnis sei ihm wiedererteilt worden.

 

Fazit: Für den Fall des Entzugs der Fahrerlaubnis und möglichen notwendigen Überbrückungsmaßnahmen kommt es zur Vermeidung einer Kündigung darauf an, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber eine zumutbare, in seinen – des Arbeitnehmers – Verhältnissen begründete Lösungsmöglichkeit für die Kompensation des Verlustes der Fahrerlaubnis bereits vor Zugang der Kündigung anbietet. Ein Arbeitnehmer ist also gut beraten, sich in einem derartigen Fall so früh wie möglich und nachweislich mit konstruktiven Überbrückungsvorschlägen an den Arbeitgeber zu wenden. Untätigkeit wäre töricht, denn sie hätte den Jobverlust zur Folge.

Auszeichnung der WirtschaftsWoche für die Hamburger Kanzlei Martens & Wieneke-Spohler als Top-Kanzlei für Arbeitsrecht in Hamburg.

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