Gehaltsunterschied: Mann und Frau

BAG-Grundsatzurteil zur Entgeltgleichheit bei Männern und Frauen

Rechtlicher Rahmen

Das Datum des 07.03.2023 steht als “Equal Pay Day“ im Kalender: Ein Aktionstag, mit dem jedes Jahr an die Lohngleichheit zwischen Männern und Frauen erinnert wird. Das Problem durchzieht die aktuelle politische Diskussion; man spricht bei vergleichbarer Tätigkeit, Qualifikation und Erwerbsbiografie von einer Differenz von 7 %.

Auch die Rechtsprechung ist mit diesem höchst brisanten Thema befasst, wie ein weiteres wegweisendes Urteil des BAG vom 16.2.2023 in diesem Zusammenhang zeigt.

Der Sachverhalt

Die Klägerin war seit dem 1. März 2017 bei der Beklagten als Außendienstmitarbeiterin im Vertrieb beschäftigt. Ihr einzelvertraglich vereinbartes Grundentgelt betrug anfangs 3.500 € brutto.

Neben der Klägerin waren als Außendienstmitarbeiter im Vertrieb der Beklagten zwei männliche Arbeitnehmer beschäftigt, einer davon seit dem 1. Januar 2017. Die Beklagte hatte auch diesem Arbeitnehmer ein Grundentgelt in Höhe von 3.500 € brutto angeboten, was dieser jedoch ablehnte. Er verlangte schon für die Dauer der Einarbeitungszeit bis zum 31. Oktober 2017 ein höheres Gehalt. Der Arbeitgeber gab dieser Forderung nach. Ab dem 01.07.2018 wurde das Grundgehalt des männlichen Mitarbeiters auf 4.000 € brutto erhöht. Zur Begründung berief sich der Arbeitgeber darauf, dass dieser die Position einer ausgeschiedenen, besser vergüteten Vertriebsmitarbeiterin übernommen habe.

Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin von der Beklagten die Zahlung rückständiger Vergütung. Sie vertrat die Auffassung, die Beklagte müsse ihr ein ebenso hohes Grundentgelt zahlen wie ihrem fast zeitgleich eingestellten männlichen Kollegen. Dies folge daraus, dass sie die gleiche Arbeit verrichte. Da die Beklagte sie beim Entgelt aufgrund des Geschlechtes benachteiligt habe, schulde sie zudem die Zahlung einer angemessenen Entschädigung für die erlittene Diskriminierung.

Die Urteile

Arbeitsgericht (AG) Dresden und Landesarbeitsgericht (LAG) Sachsen

Sowohl das Arbeitsgericht Dresden als auch das Landesarbeitsgericht Sachsen sahen in dieser Konstellation keinen Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgebot. Der zeitgleich mit der Klägerin eingestellte Kollege sei lediglich zu einem höheren Gehalt bereit gewesen, die Stelle anzunehmen. Das Interesse des Unternehmens an der Mitarbeitergewinnung sei ein objektives Kriterium, dass die Gehaltsunterschiede rechtfertige. Es hätten folglich ausschließlich andere Gründe als das Geschlecht der Klägerin zu deren ungünstigerer Behandlung geführt.

Bundesarbeitsgericht in Erfurt

Das BAG beantwortete in seinem Urteil zunächst die grundsätzliche Frage, wie viele besser bezahlte gegengeschlechtliche Vergleichsarbeitnehmer für den Nachweis der Lohnbenachteiligung wegen des Geschlechts erforderlich seien. Dem BAG genügt ein einziger, besser bezahlter Vergleichsarbeitnehmer.

Weiter führte das BAG aus: Die Mitarbeiterin habe einen Anspruch aus Art. 157 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) und § 3 Abs. 1 und § 7 EntgTranspG auf das gleiche Grundentgelt wie ihr männlicher Kollege. Der Umstand, dass die Klägerin für die gleiche Arbeit ein niedrigeres Grundentgelt erhalten habe als ihr männlicher Kollege, begründe die Vermutung nach § 22 AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz), dass die Benachteiligung aufgrund des Geschlechtes erfolgt sei.

§ 22 AGG enthält eine Beweiserleichterung für Betroffene einer möglichen, vor Gericht streitigen Diskriminierung. Beweist der Kläger Indizien, die eine Benachteiligung z. B. wegen des Geschlechts vermuten lassen, trägt der Beklagte die Beweislast dafür, dass keine Diskriminierung vorlag.

Das BAG entschied: Dem Arbeitgeber sei es nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen. Das Argument, das höhere Grundentgelt des männlichen Kollegen beruhe nicht auf dem Geschlecht, sondern auf dem Umstand, dass dieser ein höheres Entgelt ausgehandelt habe, entkräfte nicht die Vermutung einer Diskriminierung. Auch mit der Begründung, der Arbeitnehmer sei einer besser vergüteten ausgeschiedenen Arbeitnehmerin nachgefolgt, überzeuge der Arbeitgeber nicht.

Das Bundesarbeitsgericht sprach deshalb der Arbeitnehmerin neben der Entgeltnachzahlung auch eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen einer Benachteiligung aufgrund des Geschlechts zu.

Unsere Einschätzung

Die Entscheidung ist von hoher praktischer Relevanz. Arbeitgebern ist deshalb dringend zu empfehlen, Gehaltsverhandlungen nicht mit Blick auf die aktuelle Personalsituation zu führen, sondern vorrangig unter Beachtung objektiver Differenzierungskriterien.

Quelle

  • Urteil des BAG vom 16.02.2023 (8 AZR 450/21)

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