Schwangerschaft: Kündigungsverbot

Beginn des Kündigungsverbots bei Schwangerschaft

Rechtlicher Rahmen

Schwangere Frauen müssen grundsätzlich nicht um ihren Job bangen: Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) ist die Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft oder Entbindung bekannt war oder innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird.

Dieses Kündigungsverbot ist absolut und setzt nicht die Erfüllung einer Wartezeit voraus. Das Überschreiten der Zweiwochenfrist ist nach § 17 Abs. 1 Satz 2 MuSchG unbeachtlich, wenn das Fristversäumnis auf einem von der Frau nicht zu vertretenden Grund beruht und die Mitteilung unverzüglich nachgeholt wird.

Der Wortlaut der Vorschrift ist weniger klar, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Auf drei wichtige Fragen dazu hat das BAG in seinem Urteil vom 24.11.2022 Antworten gegeben.

Der Sachverhalt

Im konkreten Fall hatte die Klägerin am 07.11.2020 – noch während der Probezeit – die Kündigung erhalten. Am 12.11.2020 erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage. Mit anwaltlichem Schriftsatz, der am 03.12.2020 beim Arbeitsgericht einging, ließ die Klägerin mitteilen, in der sechsten Woche schwanger zu sein. Dem Schriftsatz lag eine Schwangerschaftsbescheinigung der Frauenärztin der Klägerin vom 26.11.2020 bei. Der voraussichtliche Geburtstermin wurde in einer weiteren ärztlichen Bescheinigung mit dem 05.08.2021 angegeben.

Die Klägerin hielt die Kündigung wegen Verstoßes gegen das Kündigungsverbot des § 17 Abs. 1 MuSchG für unwirksam. Sie sei zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits schwanger gewesen. Zwar sei die nachträgliche Mitteilung der Schwangerschaft nicht innerhalb der gesetzlichen Zweiwochenfrist erfolgt; das Versäumnis sei jedoch unverschuldet und die Mittelung unverzüglich nachgeholt worden.

Der Arbeitgeber war der Auffassung, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Kündigung im Sinne des Gesetzes nicht schwanger gewesen sei; jedenfalls sei die Mitteilung an ihn verspätet erfolgt.

Das Urteil

Das LAG Baden-Württemberg gab dem Arbeitgeber recht. Das BAG hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung mit folgenden grundsätzlichen Erwägungen an das LAG zurück:

1. Wurde die richtige Frist angewandt?

Das LAG habe für die Bestimmung des Beginns der Schwangerschaft einen Zeitraum von 266 Tagen – anstelle von 280 Tagen – und damit eine falsche Frist angewandt. Es habe als Schwangerschaftsbeginn den 12.11.2020 berechnet und dabei – abweichend von der ständigen Rechtsprechung das BAG – auf die durchschnittliche Schwangerschaftsdauer abgestellt. Das BAG betonte, die kürzere Frist von 266 Tagen sei mit dem von der europäischen Mutterschutzrichtlinie gewollten und nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs gebotenen umfassenden Schutz von schwangeren Arbeitnehmerinnen nicht zu vereinbaren. Damit war die Frage des Beginns der Schwangerschaft unter Betonung der Rückrechnung um 280 Tage ab dem voraussichtlichen Geburtstermins geklärt.

2. War die Fristüberschreitung zulässig?

Da der Beklagten die Schwangerschaft der Klägerin nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigung am 07.11.2020 mitgeteilt worden war, stelle sich für das LAG in dem neuen Verfahren die weitere Frage, ob die Fristüberschreitung von der schwangeren Frau iSd § 17 Abs. 1 S. 2 MuSchG zu vertreten war. Das sei der Fall, so das BAG, wenn die Frau die Schwangerschaft vor dem 26.11.2020 gekannt habe, oder wenn zwar noch keine positive Kenntnis bestanden habe, aber sichere Anhaltspunkte gegeben waren, die das Vorliegen einer Schwangerschaft praktisch unabweisbar erscheinen ließen. Kein schuldhaftes Verhalten sei anzunehmen im Falle des Untätigseins der Arbeitnehmerin beim Vorliegen einer bloßen, mehr oder weniger vagen Schwangerschaftsvermutung.

3. Erfolgte die Mitteilung über die Schwangerschaft unverzüglich ?

Wichtige Erkenntnisse bieten schließlich die Ausführungen des BAG zu der weiteren, vom LAG zu prüfenden Frage, ob die Mitteilung der Klägerin über das Bestehen der Schwangerschaft noch unverzüglich iSv § 17 Abs. 1 S. 2 MuSchG war:

  • Zunächst stellt das BAG klar, dass die Unverzüglichkeit nicht dadurch in Frage gestellt wird, dass die Klägerin ihre Schwangerschaft nicht unmittelbar gegenüber dem Arbeitgeber, sondern durch anwaltlichen Schriftsatz über das Arbeitsgericht mitgeteilt habe. Komme es zu Hindernissen bei der Übermittlung, an denen sie kein Verschulden trifft, können ihr diese nicht zugerechnet werden. Dies entspreche dem unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz, wonach es schwangeren Arbeitnehmerinnen nicht übermäßig erschwert werden dürfe, ihre Rechte aus Art. 10 Mutterschutzrichtlinie durchzusetzen.
  • In zeitlicher Hinsicht hält das BAG einen Zeitraum von sechs Tagen, bis die Klägerin ihren Anwalt konsultierte, noch für ausreichend. Ob es bei der Weiterleitung der Mitteilung zu schuldhafter Verzögerung kam, sei rechtlich ohne Bedeutung, weil diese der Schwangeren nicht zuzurechnen sei.

Unsere Einschätzung

Der Kündigungsschutz einer schwangeren Arbeitnehmerin ist durch diese Entscheidung des BAG noch einmal gestärkt worden. Im Zweifel geht der Schutz der schwangeren Mitarbeiterin vor und ihr wird von der Rechtsprechung nicht auferlegt, bereits bei einem bloßen Verdacht auf eine Schwangerschaft diese umgehend ärztlich zu klären.

Quelle

  • Urteil des BAG vom 24.11.2022 (2 AZR 11/22)

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