Betriebsbedingte Kündigung: Fachartikel

Kündigungsschutz mit 63 Jahren bei betriebsbedingter Kündigung?

Rechtlicher Rahmen

Ein Arbeitnehmer soll die Freiheit haben, die Dauer seiner beruflichen Tätigkeit und damit die Alterssicherung seines Lebensunterhaltes im Alter selbst zu bestimmen. Deshalb hat der Gesetzgeber in § 41 Abs. 1 SGB VI ein Kündigungsverbot geregelt: Der Anspruch eines Versicherten auf eine Altersrente ist kein Grund für eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG). Mit einem weiteren – kündigungsrelevanten – Altersaspekt befasst sich die aktuelle Entscheidung des BAG vom 19.12.2022.

Der Sachverhalt

Klägerin war eine 63-jährige, langfristig beschäftigte Arbeitnehmerin. Das Unternehmen musste Insolvenz anmelden, und die Klägerin war in einer Namensliste zu kündigender Arbeitnehmer aufgeführt. Sie meinte, dass ein jüngerer Arbeitnehmer mit geringerer Betriebszugehörigkeit sozial weniger schutzwürdig sei als sie. Der beklagte Insolvenzverwalter begründete seine Kündigung damit, dass die Klägerin die Möglichkeit habe, zeitnah im Anschluss an das beendete Arbeitsverhältnis eine Altersrente für besonders langjährige Beschäftigte zu beziehen. Damit falle sie hinter alle vergleichbaren Arbeitnehmer zurück. 

„Zeitnah“ bedeutet dabei den sofortigen Bezug einer (vorgezogenen) abschlagsfreien Rente oder der Rentenbezug spätestens innerhalb von zwei Jahren nach dem in Aussicht gestellten Ende des Arbeitsverhältnisses, ausgenommen die Altersrente für schwerbehinderte Menschen.

Das Urteil

Liegen die Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung nach § 1 Abs. 1 KSchG vor, sei das Kriterium des Lebensalters im Rahmen der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG „ambivalent“, so das BAG. Es dürfe nicht nur zu Gunsten, sondern bei rentennahen Jahrgängen auch zu Lasten der Arbeitnehmer berücksichtigt werden. Möglich ist das, wenn maximal zwei Jahren bis zur Möglichkeit des Bezugs einer abschlagsfreien Rente fehlen. Auch die Möglichkeit des Bezugs einer abschlagsfreien Rente für besonders langjährige Versicherte darf lauf BAG berücksichtigt werden. Nur eine Rente wegen einer Schwerbehinderung darf nicht zu Lasten des zu kündigenden Mitarbeiters bei der Sozialauswahl einbezogen werden.

Unsere Einschätzung

Arbeitgebern ist zu empfehlen, die Auswahlkriterien der sozialen Auswahl (neben dem Alter, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers und etwaige Schwerbehinderung) dennoch sorgfältig zu prüfen. Eine Sozialauswahl, die nur auf die Rentennähe abstellt, würde die Wirksamkeitsvoraussetzung nicht erfüllen und wäre damit grob fehlerhaft. Denn die Beurteilung der sozialen Schutzwürdigkeit verlangt eine umfassende Abwägung nach sozialen Gesichtspunkten unter Berücksichtigung aller im Gesetz genannten Kriterien, hebt das BAG hervor.

Quelle

Urteil des BAG vom 19.12.2022 (6 AZR 31/22)

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