Kündigung wegen Schlechtleistung („Low Performer“)
Urteil des LAG Köln v. 03.05.2022 (4 Sa 548/21)
Schlechtleistungen eines Arbeitnehmers („Low Performer“) legen manchem Arbeitgeber den Gedanken nahe, das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Doch ist Vorsicht geboten, denn die Rechtsprechung setzt hohe Hürden. Denn der Arbeitnehmer schuldet keine objektive Durchschnittsleistung, sondern Arbeit entsprechend seinem subjektiven Leistungsvermögen.
Der Arbeitnehmer muss tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann. Er schuldet das „Wirken“ und nicht das „Werk“. Seine individuelle Leistungsfähigkeit kann durch besondere Umstände, z.B. Krankheit, Behinderung oder betriebliche Störungen, eingeschränkt sein. In dem vom LAG Köln entschiedenen Fall war das Arbeitsverhältnis wegen Minderleistung gekündigt worden.
Der Sachverhalt
Der 50 Jahre alte Kläger war seit 2011 bei der Beklagten als Kommissionierer beschäftigt. Die Beklagte betrieb am Standort Köln ein Großhandelslager im Bereich der Lebensmittellogistik. Im Jahre 2018 wechselte der Kläger vom Lager für Frischware in das Lager für Trockensortiment.
Die Kommissionierung wurde mithilfe des Warenwirtschaftssystems gesteuert, in welches in regelmäßigen Zeitabständen die Kundenaufträge einflossen. Diese Kundenaufträge beinhalteten alle Verpackungseinheiten (Kolli) der im Markt verkauften Produkte in der Menge, in der sie jeweils für die nächste Warenlieferung vom Markt bestellt wurden.
In einer Betriebsvereinbarung wurde eine Basisleistung (100 %) festgelegt, die als Normalleistung mit dem Grundlohn vergütet wurde. Die Basisleistung wurde in Kolli pro Stunde bemessen. Für die Bearbeitung höherer Mengen an kommissionierten Packstücken wurde eine Leistungsprämie gezahlt. Kommissionierungsaufträge wurden systemtechnisch vergeben.
Seit seiner Versetzung erreichte der Kläger in keinem Fall die Basisleistung. Nach zwei Abmahnungen kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit ordentlicher Frist. Im Kündigungsschutzprozess trug die Beklagte detailliert die Leistung des Klägers vor und verglich diese mit den Durchschnittsleistungen von ca. 150 vergleichbaren, d.h. ebenfalls im Trockensortiment beschäftigten Kommissionierern. Bei den übermittelten Zahlenwerten handelte es sich um Auswertungen aus dem Warenwirtschaftssystem. Die Beklagte trug vor, dass die Gruppe der 40- bis 50-jährigen Kommissionierer im Schnitt eine Kommissionierungsleistung von rund 112 % erbrächte. Der Kläger unterschritt die Durchschnittsleistung dieser Vergleichsgruppe um deutlich mehr als ein Drittel. Er machte geltend, in besonderer Häufigkeit mit“ schlechten Aufträgen“ versehen und als Arbeitnehmer mit türkischer Muttersprache wie auch aufgrund seines Alters benachteiligt gewesen zu sein.
Die Entscheidung
Die Klage hatte in beiden Instanzen keinen Erfolg. Das LAG führte in seiner Begründung aus.
Der Umstand, dass der Arbeitnehmer unterdurchschnittliche Leistungen erbringe, müsse nicht zwangsläufig bedeuten, dass der Arbeitnehmer seine persönliche Leistungsfähigkeit nicht ausschöpfe. In einer Vergleichsgruppe sei stets ein Angehöriger der Gruppe das Schlusslicht. Das könne seine Ursache auch darin haben, dass die übrigen Gruppenangehörigen besonders leistungsstark seien, sich überforderten oder dass umgekehrt der gruppenschwächste Arbeitnehmer besonders leistungsschwach sei.
Andererseits sei das deutliche und längerfristige Unterschreiten des von vergleichbaren Arbeitnehmern erreichten Mittelwerts oft der einzige für den Arbeitgeber erkennbare Hinweis darauf, dass der schwache Ergebnisse erzielende Arbeitnehmer seine zumutbaren Reserven nicht ausschöpfe.
Der Konflikt zwischen derartigen widerstreitenden Gesichtspunkten könne nach den Regeln der abgestuften Darlegungslast angemessen aufgelöst werden: Es sei zunächst Sache des Arbeitgebers, zu den Leistungsmängeln das vorzutragen, was er wissen könne. Kenne er lediglich die objektiv messbaren Arbeitsergebnisse, so genüge er seiner Darlegungslast, wenn er Tatsachen vortrage, aus denen ersichtlich sei, dass die Leistungen des betreffenden Arbeitnehmers die Durchschnittsleistung erheblich unterschritten. Davon könnte gesprochen werden bei einer langfristigen Unterschreitung der Durchschnittsleistung um deutlich mehr als ein Drittel.
Der Arbeitnehmer könne darauf entgegnen, indem er das Zahlenwerk und seine Aussagefähigkeit im Einzelnen bestreite und/oder darlege, warum er mit seiner deutlich unterdurchschnittlichen Leistung dennoch seine persönliche Leistungsfähigkeit ausschöpfe. Trage der Arbeitnehmer derartige Umstände nicht vor, gelte das schlüssige Vorbringen des Arbeitgebers als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO). Es sei dann davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer seine Leistungsfähigkeit nicht ausschöpfe (BAG, Urteil vom 11.12.2003 – 2 AZR 667/02).
Nach diesen Maßstäben sei die Beklagte im vorliegenden Fall ihrer Darlegungslast nachgekommen; der Kläger habe weder die von der Beklagten vorgelegten Zahlenwerte und ihre Aussagefähigkeit plausibel bestritten, noch erklärt, warum er mit seiner deutlich unterdurchschnittlichen Leistung dennoch seine persönliche Leistungsfähigkeit ausschöpfe. Sein Bestreiten erfülle nicht die Substantiierungspfpflichten des § 138 ZPO; es sei damit unbeachtlich.
Low Performance ist nicht zu verwechseln mit dem Phänomen des „quiet quitting“ (sog. stille Kündigung), vergleichbar dem „Dienst nach Vorschrift“. Dieser bedeutet simple Vertragserfüllung und ist arbeitsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden.
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