Fachartikel

Keine Hinweispflicht des Arbeitgebers über Urlaubsverfall bei langer Krankheit

LAG Rheinland-Pfalz v. 15.01.2020 (7 Sa 284/19) - Keine Hinweispflicht des Arbeitgebers über Urlaubsverfall bei langer Krankheit

Die Rechtsprechung zum Urlaubsrecht wartet einmal mehr mit neuen Erkenntnissen auf.

Mit Urteil vom 14. März 2019 hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) festgestellt, dass der Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub in der Regel nur dann am Ende des Kalenderjahres erlischt, wenn der Arbeitgeber ihn zuvor über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt hat und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. In jenem Fall hatte ein arbeitsfähiger Arbeitnehmer seinen Resturlaub aus dem Vorjahr gerichtlich geltend gemacht. Das BAG begründete seine Entscheidung mit § 7 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz i. V. mit Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 EG (Arbeitszeitrichtlinie). Danach habe der Arbeitgeber die zeitliche Lage des Urlaubs unter Berücksichtigung der Urlaubswünsche des Arbeitnehmers festzulegen. Deshalb treffe ihn die “Initiativlast“ für die Verwirklichung des Urlaubsanspruchs. Dem Arbeitgeber obliege es, konkret und transparent dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer seinen bezahlten Jahresurlaub nehme, indem er ihn auffordere, den Urlaub anzumelden und ihn darauf hinweise, dass der Urlaub am Jahresende verfalle, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht nehme.

Nunmehr hatte sich das LAG Rheinland- Pfalz mit einer ähnlichen Fragestellung zu befassen, wenngleich der Kläger in diesem Verfahren nicht arbeitsfähig, sondern lang andauernd erkrankt war.

Der Kläger war seit dem 1. November 1989 bei der beklagten Arbeitgeberin beschäftigt und seit dem 18. Januar 2016 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Das Arbeitsverhältnis wurde schließlich aufgrund eines Auflösungsvertrages zum 28. Februar 2019 beendet. § 2 dieses Auflösungsvertrages lautet:

1. „Für bestehenden Mindesturlaub aus 2017, Resturlaub aus 2018 und Januar und Februar 2019 erfolgt im Monat Februar 2019 eine Auszahlung.

Der Resturlaub 2016 ist strittig.

2. …

3. Sonstige Ansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis und seiner Beendigung bestehen nicht.“

Mit anwaltlichem Schreiben vom 13. Dezember 2018 beantragte der Kläger Auszahlung des bestehenden Resturlaubs für das Jahr 2016, insbesondere vor dem Hintergrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 6. November 2018, wonach Arbeitnehmer nicht automatisch ihren Urlaubsanspruch verlieren, weil sie bis zum Ende des Kalenderjahres keinen Urlaub beantragt haben.

Der Kläger verfolgte seinen Anspruch vor dem Arbeitsgericht weiter und war der Ansicht, ihm stehe für 30 Urlaubstage aus dem Jahr 2016 Urlaubsabgeltung in Höhe von insgesamt 5.504,70 € brutto zu.

Die Frage, ob er während des Bezugszeitraums voll umfänglich arbeitsunfähig geschrieben gewesen sei oder nicht, habe, so die Ansicht des Klägers, nichts mit der Obliegenheit des Arbeitgebers zu tun, auf die Gefahr des Verfalls des Urlaubs beziehungsweise dessen Inanspruchnahme hinzuweisen.

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Auch die Berufung des Klägers vor dem LAG Rheinland-Pfalz hatte keinen Erfolg.

Das LAG führte in seiner Begründung aus:

Der vom Bundesurlaubsgesetz beabsichtigte Gesundheitsschutz durch eine tatsächliche Inanspruchnahme der bezahlten Arbeitsbefreiung könne in diesem Fall nicht dadurch gefördert werden, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über den Umfang des noch bestehenden Urlaubs informiere, ihn auf die für die Urlaubstage maßgeblichen Fristen hinweise und ihn zudem auffordere, den Urlaub tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Im Falle der lang anhaltenden Arbeitsunfähigkeit vermöge eine solche Aufforderung gerade nicht dazu führen, dass ein verständiger Arbeitnehmer seinen Urlaub rechtzeitig vor dem Verfall beantrage. Der Arbeitgeber könne dem Arbeitnehmer wegen dessen Arbeitsunfähigkeit keinen Urlaub gewähren, unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer einen Urlaubsantrag stelle oder hierauf verzichte. Der Arbeitnehmer könne im Falle seiner lang andauernden Arbeitsunfähigkeit durch den Arbeitgeber gerade nicht abgeschreckt werden, seine Rechte gegenüber seinem Arbeitgeber ausdrücklich geltend zu machen. Dagegen sei auch in diesem Fall das Interesse des Arbeitgebers schützenswert, ein unbegrenztes Ansammeln von Urlaubsansprüchen durch den Arbeitnehmer zu verhindern. Im Falle der lang andauernden Arbeitsunfähigkeit stehe dieses Interesse des Arbeitgebers im Einklang mit Art. 7 der RL 2003/88 EG. Er habe nicht die sich im Falle des Ansammelns von Ansprüchen auf bezahlten Jahresurlaub durch einen Arbeitnehmer, der aus Krankheitsgründen daran gehindert war, diesen Urlaub zu nehmen, hieraus ergebenden Folgen zu tragen.

Das LAG Hamm (Urteil vom 24. Juli 2019 – 5 Sa 676/19) habe zudem zutreffend darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber, solange die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers andauere, nicht in der Lage sei, einen zutreffenden konkreten Hinweis hinsichtlich des Verfalls des Urlaubsanspruchs zu erteilen. Der Arbeitgeber müsse sich bei Erfüllung seiner Mitwirkungsobliegenheit auf einen “konkret“ bezeichneten Urlaubsanspruch eines bestimmten Jahres beziehen und den Anforderungen an eine “völlige Transparenz“ genügen. Anders als bei arbeitsfähigen Arbeitnehmern erlösche der Urlaubsanspruch in dem Fall, in dem der Arbeitnehmer wegen andauernder Arbeitsunfähigkeit nicht in der Lage sei, den Urlaubsanspruch zu nehmen, gerade nicht zum Ende des Kalenderjahres, sondern erst zum 31. März des zweiten Folgejahres. Der Arbeitgeber könne daher eine zutreffende, auf

den konkreten Fall bezogene Belehrung erst dann vornehmen, wenn er Kenntnis davon habe, ob der Arbeitnehmer im Kalenderjahr wieder arbeitsfähig werde.

Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage hat das LAG die Revision zum BAG zugelassen.

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