Altersdiskriminierung in Stellenanzeigen

Stellenanzeige spricht "Digital Natives" an

Eine Person, Jahrgang 1972, bewarb sich auf eine Stellenanzeige bei einem Sportartikelhersteller. Die Person scheiterte mit der Bewerbung und führte die Absage. Vermuteter Grund ist der Wortlaut in der Stellenanzeige : „Als Digital Native fühlst Du Dich in der Welt des Social Media […]“.

Die Besprechung des Falls übernimmt unser Fachanwalt für Arbeitsrecht Christian Wieneke-Spohler.

Portrait von Christian Wieneke-Spohler, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt
Christian Wieneke-Spohler

Datum

18.02.2024

Aktenzeichen

8 Ca 191/23

Gericht

Arbeitsgericht Heilbronn

Einordnung

Der § 11 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verpflichtet Arbeitgeber, Arbeitsplätze neutral auszuschreiben. Stellenausschreibung und Bewerberauswahl haben frei von Diskriminierung im Hinblick auf die Merkmale Rasse, ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle Herkunft zu erfolgen.

Die Verwendung des Begriffs ‚Digital Native‘ in Stellenanzeigen kann als Indiz für eine altersbedingte Diskriminierung gewertet werden und Entschädigungsansprüche nach sich ziehen.

Der Sachverhalt

In dem vom ArbG Heilbronn entschiedenen Fall hatte sich der 1972 geborene Kläger im April 2023 bei der Beklagten, einem Sportartikelhändler, auf einen Posten als „Manager Corporate Communication (m/w/d) Unternehmensstrategie in Vollzeit“ beworben. In der Stellenanzeige hatte die Beklagte formuliert: „Als Digital Native fühlst Du Dich in der Welt der Social Media, der Datengetriebenen PR, des Bewegtbildes und allen gängigen Programmen für DTP, CMS, Gestaltung und redaktionelles Arbeiten zu Hause“.

Der Kläger scheiterte mit der Bewerbung und führte die Absage auf Altersdiskriminierung zurück. Die Anzeige habe auf einen bestimmten Bewerberkreis gezählt, nämlich auf Personen der gesellschaftlichen Generation, die in der digitalen Welt aufgewachsen sei. Grundsätzlich seien damit Angehörige der Geburtsjahrgänge ab 1980 gemeint. Mit seiner Klage verlangte der Kläger eine Entschädigung in Höhe von fünf Monatsgehältern. 

Die Beklagte hielt entgegen, der Kläger sei als Wirtschaftsjurist für die Stelle überqualifiziert gewesen und seine Bewerbung habe keinen Bezug zum Thema Sport gehabt. Mit der Verwendung des Begriffs „Digital Native“ seien Angehörige der „Digital – Immigrant“ – Generation nicht ausgeschlossen worden. Man habe nicht einen „Digital Native“ an sich gesucht, sondern nur auf die Eigenschaften abgestellt, die eine für die Position geeignete Person mitbringen müsse.

Das Urteil

Das Arbeitsgericht Heilbronn folgte der Auffassung des Klägers, reduzierte aber die Entschädigungssumme auf 1,5 Monatsgehälter. Der Begriff des „Digital Native“ habe einen klaren Bezug zu einer Generation, welcher der Kläger nicht angehöre. Daraus folge das Indiz für eine Altersdiskriminierung. Dieses Indiz habe der Arbeitgeber nicht widerlegt. Ihm sei der notwendige Gegenbeweis, dass die Ablehnung nicht aufgrund des Alters des Bewerbers erfolgt sei, nicht gelungen.

Das Gericht legt bei der Festsetzung der Entschädigungshöhe besonderen Wert auf die individuellen Umstände des Falls, wobei das erzielbare Gehalt auf der ausgeschriebenen Position eine wesentliche Rolle spielt.

Unser Fazit

Der Begriff „Digital Native“ versteht sich nach herkömmlichem Sprachgebrauch in Abgrenzung zu dem Begriff „Digital Immigrant“, der auch ältere Personenkreise einbezieht. Mit seiner Begriffswahl hat sich der Arbeitgeber ersichtlich an die jüngere Bewerberzielgruppe gerichtet. Das AGG verlangt jedoch, die Stellenanzeige so zu formulieren, dass sich alle Personen angesprochen fühlen, die für die ausgesprochen ausgeschriebene Position qualifiziert sind.

Der auf der Klägerseite bei Entschädigungsklagen häufig gegebene Rechtsmissbrauch kam wegen des klaren Rechtsverstoßes des Arbeitgebers nicht in Betracht.

Weiterführende Links

An dieser Stelle finden Sie das besprochene Urteil sowie weiterführende Links zu Rechtstexten.

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