Gehaltserhöhung und Gleichbehandlungsgrundsatz

Leitender Angestellte klagt auf Gehaltsangleichung

Ein Urteil des Urteil des LAG Düsseldorf vom 20.04.2023 (13 Sa 535/22) zeigt, dass Budgetvorgaben ohne sachliche Differenzierung nicht geeignet sind, den Gleichbehandlungsgrundsatz bei Gehaltserhöhungen zu umgehen.

Die Urteilsbesprechung des vorliegenden Falls übernimmt unser Fachanwalt für Arbeitsrecht Kai Höppner.

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Fachanwalt
Kai Höppner

Einordnung

Nach § 611 a Abs. 2 BGB ist der Arbeitgeber zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Die Höhe des Arbeitsentgeltes ist nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit in bestimmten Grenzen frei vereinbar. Die Vereinbarung unterschiedlicher Arbeitsentgelte bei gleicher Arbeit verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz, da im Bereich der Vergütung der Grundsatz der Vertragsfreiheit Vorrang hat.

Dies gilt jedoch nur, wenn es sich um individuell vereinbarte Vergütungen handelt und der Arbeitgeber nur einzelne Arbeitnehmer besserstellt. Das ist anzunehmen, wenn die Bessergestellten weniger als 5 % der Gesamtzahl der insgesamt betroffenen Arbeitnehmer ausmachen.

Anders verhält es sich, wenn der Arbeitgeber die Leistungen nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip, insbesondere gruppenspezifischen Merkmalen, gewährt. Beruht die Abweichung nicht auf einer individuellen Vereinbarung, bedarf sie sachlicher Gründe. Dabei kommt insbesondere eine Unterscheidung nach dem Zweck der Leistung oder dem Zweck des Vertragsverhältnisses in Betracht (BAG, Urteil vom 11.10.2006 – 4 AZR 354/05).

An diesen Kriterien orientiert sich die Entscheidung des LAG Düsseldorf vom 20.4.2023 über eine Klage auf Gehaltserhöhung wegen Verstoßes gegen den arbeitsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung.

Der Sachverhalt

Der Kläger war in einem Versicherungskonzern als leitender Angestellter tätig. Die Gruppe der leitenden Angestellten umfasste 400 Mitarbeiter. Für sie fand keine Regelanpassung der Gehälter statt. Vielmehr stellte der Arbeitgeber – sofern eine Anpassung erfolgen sollte – für die leitenden Angestellten den jeweiligen Vorgesetzten ein durch einen jeweils festgesetzten Prozentsatz gedeckeltes Budget zur Verfügung. Es blieb dann dem jeweiligen Vorgesetzten überlassen, welcher leitende Angestellte in seiner Abteilung zukünftig ein höheres Arbeitsentgelt erhalten sollte. Im Ergebnis:

  • Zum Stichtag 1.4.2019 stellte die Beklagte im Rahmen des oben geschilderten Verfahrens ein Budget von 3,0 % und zu den Stichtagen 1.4.2020 und 1.4.2021 ein solches von jeweils 2 % zur Verfügung.
  • Im Jahr 2019 erhielten 70,8 %, im Jahre 2020 63,1 % und im Jahr 2021 65,0 % der leitenden Angestellten eine Gehaltsanpassung.
  • Bei denjenigen leitenden Angestellten, die eine Gehaltsanpassung erhielten, kam es zu durchschnittlichen Erhöhungen von 3,9 % zum 1.4.2019 und von 2,7 % zum 1.4.2020.
  • Zum 1.4.2019 erhöhte die Beklagte das Gehalt des Klägers um 1,86 %. Zum 1.4.2020 nahm sie keinerlei Erhöhung vor. Zum 1.4.2021 gewährte sie eine Gehaltserhöhung von 1,97 %.

Der Kläger meinte, die Beklagte sei aus Gründen der Gleichbehandlung verpflichtet, sein Gehalt so zu erhöhen, wie durchschnittlich bei den leitenden Angestellten, die eine Anpassung erhalten hätten. Die Beklagte hielt entgegen, dem Kläger stehe ein weitergehender Anspruch auf Gehaltserhöhungen nicht zu. Es fehle an einem generalisierenden Prinzip.

Über die Gehaltsanpassungen entscheide individuell der Vorgesetzte. Sie gebe nur die Deckelung des Gesamtvolumens vor. Eine Vergleichsgruppe der leitenden Angestellten lasse sich nicht bilden. Ihre leitenden Angestellten übten unterschiedliche Funktionen und Aufgaben auf unterschiedlichen Hierarchieebenen mit und ohne Führungsverantwortung aus. Auch mit Blick auf die Leistungsabhängigkeit der Gehaltsanpassung sei nach den wahrzunehmenden Aufgaben zu differenzieren.

„Die Verteilung des für Gehaltserhöhungen vorgesehenen Budgets den Vorgesetzten ohne weitere Vorgaben zu überlassen, bedeute wegen der Zufälligkeit und Unterschiedlichkeit im Handeln der Vorgesetzten eine ‚Leistung nach Gutdünken‘.“

LAG Düsseldorf

Das LAG-Urteil

Das LAG Düsseldorf sah im Vorgehen der Beklagten einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und führte in der Entscheidung u. a. aus:

Die Verteilung des für Gehaltserhöhungen vorgesehenen Budgets den Vorgesetzten ohne weitere Vorgaben zu überlassen, bedeute wegen der Zufälligkeit und Unterschiedlichkeit im Handeln der Vorgesetzten eine „Leistung nach Gutdünken“.

Das Vorgehen erkläre sich nur als – vergeblicher – Versuch, eine gerichtliche Überprüfung der Gehaltsanpassung zu vermeiden. Bezweckt bzw. zwangsläufig verbunden sei damit zugleich, dass weniger ein Leistungsanreiz für die leitenden Angestellten gesetzt werde, sondern deren Disziplinierung die Folge sei. Ein legitimer Zweck, der geeignet sei, einen sachlichen Grund zu bilden, liege darin nicht.

Eine Differenzierung nach leitenden Angestellten ohne und solche mit Führungsverantwortung erfolge dabei nicht. Eine aus der fraglichen Funktion unterschiedliche Wertigkeit der Tätigkeit werde bereits im Gehalt abgebildet. Eine unterschiedliche Erhöhung würde diese Relationen verschieben. Ein sachlicher Grund für eine ungleich Behandlung sei daher in keiner Weise gegeben.

Rechtsfolge einer solchen Verletzung sei regelmäßig eine Korrektur des arbeitgeberseitigen Vorgehens durch eine Anpassung „nach oben“, um die Diskriminierung zu beseitigen. Danach könnte der Kläger eine Erhöhung des Gehalts um den höchsten Prozentsatz verlangen.

Unser Fazit

Die Entscheidung des LAG Düsseldorf folgt der ständigen Rechtsprechung des BAG. Sie macht deutlich, dass Budgetvorgaben ohne sachliche Differenzierung wie im vorliegenden Fall nicht geeignet sind, den Gleichbehandlungsgrundsatz bei Gehaltserhöhungen zu umgehen.

Weiterführende Links

An dieser Stelle finden Sie das besprochene Urteil sowie weiterführende Links zu Rechtstexten.

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