GmbH-Geschäftsführung: Haftung beim Mindestlohn

Die Verantwortung für den erlittenen Schaden des Arbeitnehmers

Rechtlicher Rahmen

Geschäftsführer einer GmbH haben die Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung (Arbeitsrecht für Führungskräfte). Das umfasst die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass sich die Gesellschaft rechtmäßig verhält und ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommt (sog. Legalitätsprinzip). 

Wird dagegen verstoßen, ergeben sich weitreichende Haftungsfragen, so etwa bei Verstößen gegen die Zahlung des Mindestlohns an Mitarbeiter. Wird in einer GmbH der gesetzliche Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig gezahlt, trifft den Geschäftsführer die bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit nach § 21 Nr. 11 Mindestlohngesetz in Form der Zahlung eines Bußgeldes bis zur Höhe von 500.000,- Euro.

Kann der geschädigte Arbeitnehmer den Geschäftsführer darüber hinaus auch wegen des erlittenen Schadens zur Verantwortung ziehen? Diese Frage hatte das BAG in seinem Urteil vom 30.3.2023 zu entscheiden.

Der Sachverhalt

Mit seiner Klage nahm der Kläger zwei ehemalige Geschäftsführer einer in Insolvenz gegangenen GmbH auf Schadensersatz wegen der unterbliebenen Zahlung des Mindestlohns in Anspruch. Der Kläger meinte, dass hierfür die Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB persönlich haften. Danach trifft die gesetzliche Schadensersatzpflicht auch „denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt“. Da die fahrlässige oder vorsätzliche Nichtzahlung des gesetzlichen Mindestlohns mit einem Bußgeld geahndet werde, bestehe ein direkter Zahlungsanspruch auch gegen die Geschäftsführer.

Das Urteil

Dem folgte das BAG nicht. Das Gericht stellte klar, dass die Legalitätspflicht der Geschäftsführer grundsätzlich nur der Gesellschaft gegenüber und nicht auch im Verhältnis zu außenstehenden Dritten bestehe. Das GmbH-Gesetz regele allein die Pflichten des Geschäftsführers aus seinem durch die Bestellung begründeten Rechtsverhältnis zur Gesellschaft. Diese Pflichten dienen nicht dem Zweck, Gläubiger der Gesellschaft vor den Folgen einer sorgfaltswidrigen Geschäftsführung zu schützen. Aus der Regelung des § 43 Abs. 2 GmbH-Gesetz werde deutlich, dass eine Verletzung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung nur Schadensersatzansprüche der Gesellschaft, nicht hingegen der Gläubiger der Gesellschaft entstehen lasse.

BAG-Begründung

Der Geschäftsführer einer GmbH haftet deshalb nur dann persönlich für die Verbindlichkeit der Gesellschaft, wenn ein besonderer Haftungsgrund gegeben sei. Diese liege im vorliegenden Fall nicht vor. Denn der im Mindestlohngesetz für den Fall der Verletzung der Pflichten des Arbeitgebers zur Zahlung des Mindestlohns (§§ 20, 21) geschaffene Bußgeldtatbestand sei kein Schutzgesetz zu Gunsten der Arbeitnehmer der Gesellschaft, in ihrem Verhältnis zu den Geschäftsführern der Gesellschaft, im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB.

Jedenfalls handele es sich nicht um ein Schutzgesetz zugunsten der Arbeitnehmer der GmbH in ihrem Verhältnis zu deren Geschäftsführern. Die Annahme eines Schutzgesetzes würde dazu führen, dass dieser Personenkreis selbst bei nur (leicht) fahrlässiger Verwirklichung des Bußgeldtatbestandes nach § 823 Abs. 2 BGB auf Schadensersatz in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns in Anspruch genommen werden könnte. 

Dies wiederum hätte zur Folge, dass die Arbeitnehmer in einer Vielzahl von Fällen im Hinblick auf die Zahlung des Mindestlohns über die GmbH als ihren Vertragsarbeitgeber hinaus mit den Geschäftsführern weitere Schuldner hätten. Hierdurch würde das Haftungssystem des GmbH-Gesetzes, in dem es eine allgemeine Durchgriffshaftung auf die Geschäftsführer der Gesellschaft nicht gibt, für den Bereich der Vergütungspflicht – hier zu Höhe des Mindestlohns – konterkariert. Die Haftungssystematik des GmbH-Gesetzes bleibe von den Vorschriften zur Zahlung des Mindestlohnes – ungeachtet der bußgeldrechtlichen Sanktionierung – unberührt.

Unser Fazit

Die „Bußgeldbewehrung“ der unterlassenen oder verspäteten Zahlung des gesetzlichen Mindestlohnes auf die handelnden Geschäftsführer einer GmbH bleibt gleichwohl Mahnung genug, die Legalitätspflicht gerade auch im Bereich des Mindestlohnes gewissenhaft wahrzunehmen.

Quelle

  • Urteil des BAG vom 30.03.2023 (8 AZR 120/22)

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