Massenentlassung: Sanktion für Fehler im Anzeigeverfahren

Maschinenschlosser klagt gegen seine Kündigung

Der Kläger, ein seit Jahrzehnten beschäftigter Maschinenschlossermonteur, wehrt sich gegen die Wirksamkeit seiner Kündigung. Er verweist hierfür auf die unterbliebene Massenentlassungsanzeige.

Die Besprechung des Falls übernimmt unser Fachanwalt für Arbeitsrecht Christian Wieneke-Spohler.

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Fachanwalt
Christian Wieneke-Spohler

Datum

14.12.2023

Aktenzeichen

6 AZR 157/22 (B)​

Einordnung und rechtlicher Rahmen

Der vorliegende Fall bezieht sich auf die Fragestellung zur Rechtsfolge von Verstößen gegen die Anzeigepflicht bei Massenentlassungen gemäß § 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG in Verbindung mit § 134 BGB.

Der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts überlegt, von seiner bisherigen Auffassung abzuweichen, wonach die Nichtigkeit der Kündigung als Sanktion für derartige Verstöße angenommen wurde.

Diese Rechtsfrage ist insofern von Bedeutung, als sie die Schnittstelle zwischen Arbeits- und Sozialrecht betrifft und die Auswirkungen von Massenentlassungen auf den lokalen Arbeitsmarkt und die betroffenen Arbeitnehmer direkt tangiert.

Die Anwendung von § 134 BGB auf Kündigungen im Kontext von Massenentlassungen ist ein komplexes Rechtsgebiet, das eine ausgewogene Betrachtung von arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Zielen erfordert.

Der Sachverhalt

Im zugrundeliegenden Sachverhalt kündigte der Insolvenzverwalter der V Handelsgesellschaft mbH innerhalb eines kurzen Zeitraums sämtliche Arbeitsverhältnisse, ohne eine Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit einzureichen, obwohl mehr als fünf Arbeitnehmer entlassen wurden.

Der Kläger, ein seit 1994 beschäftigter Maschinenschlossermonteur, wehrt sich gegen die Wirksamkeit seiner Kündigung, indem er auf die unterbliebene Massenentlassungsanzeige verweist.

BAG-Urteil

Das Bundesarbeitsgericht hat bisher entschieden, dass ein Verstoß gegen § 17 KSchG vorliegt, da die Anzeige hätte erfolgen müssen; dieser Verstoß würde dann zur Unwirksamkeit der Kündigung führen.

Allerdings erwägt der Sechste Senat in Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung, dass ein solcher Verstoß nicht automatisch die Nichtigkeit der Kündigung nach § 134 BGB bedingt. Diese Auffassung würde von der bisherigen Rechtsprechung abweichen, die eine wirksame Massenentlassungsanzeige als Voraussetzung für die Wirksamkeit von Kündigungen im Rahmen von Massenentlassungen ansah.

Das Gericht argumentiert, dass Verstöße gegen das Anzeigeverfahren angemessen und verhältnismäßig sanktioniert werden sollten, wobei die bisherige Rechtsfolge der Nichtigkeit möglicherweise zu weit greife.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts könnte eine bedeutende Veränderung in der Handhabung und den Rechtsfolgen von Massenentlassungsanzeigen darstellen.

Unser Fazit

Sollte das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung ändern, hätte dies weitreichende Auswirkungen für die Praxis der Massenentlassungen.

Es würde den Arbeitgebern mehr Spielraum geben und gleichzeitig den Fokus auf die Notwendigkeit legen, dass gesetzliche Regelungen effektive, angemessene und abschreckende Sanktionen vorsehen müssen, die jedoch nicht zwangsläufig die Nichtigkeit der Kündigung umfassen müssen.

Für Arbeitnehmer bedeutet dies eine potenzielle Verringerung des Schutzniveaus bei Massenentlassungen, während Arbeitgeber bei Fehlern im Anzeigeverfahren möglicherweise weniger strenge Konsequenzen befürchten müssten.

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