Problematik von Vertragsstrafen in Arbeitsverträgen
Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 24.01.2022 (1 Sa 345/21)
Arbeitgeber, die Arbeitsverträge gestalten, wissen um die Schwierigkeit, bei Verfehlungen eines Arbeitnehmers Schadensersatzansprüche durchzusetzen. Ursachenzusammenhang, Verschulden und Schadenshöhe erweisen sich als Fallstricke. Eine Lösung wird vielfach in einer pauschalen Vertragsstrafenregelung gesehen. Diese birgt allerdings eigene rechtliche Tücken, wie der von dem Sächsischen Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 24.01.2022 entschiedene Fall zeigt.
Der Sachverhalt
Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 2018 als Pflegedienstleitung beschäftigt. Sein Arbeitsvertrag enthielt eine Kündigungsfrist von einem Monat zum Quartalsende. Daneben war folgendes vereinbart:
„Löst der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis schuldhaft ohne Rechtsgrund und ohne Einhaltung der Kündigungsfrist, verpflichtet er sich zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe der Vergütung, die er bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigung erhalten hätte, maximal jedoch ein Bruttomonatsgehalt.
Der Arbeitnehmer hat auf Verlangen des Arbeitgebers – aber auch bei längerer Abwesenheit im Unternehmen wie im Falle von Kündigung, Freistellung o.ä. – sämtliche Arbeitsunterlagen, -mittel und –ergebnisse, insbesondere auch Unterlagen, Urkunden, Aufzeichnungen, Notizen, Entwürfe oder hiervon gefertigte Druckschrift oder Kopien, gleichgültig auf welchem Datenträger, an den Arbeitgeber zurück – bzw. herauszugeben. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat er dies unaufgefordert zu tun.
Dieselbe Verpflichtung gilt hinsichtlich sämtlicher weiterer Sachen und Gegenstände, die im Eigentum des Arbeitgebers stehen, wie beispielsweise Firmenfahrzeug, Berechtigungskarten, Schlüssel, Mobiltelefon, Laptop oä.
Verstößt der Arbeitnehmer vorsätzlich oder grob fahrlässig gegen die Herausgabepflicht von Arbeitsmitteln und Unterlagen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses…, verpflichtet er sich zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von eines Bruttomonatsgehalts“.
Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis mit der gesetzlichen Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende. Ein ihm überlassenes iPad gab er 16 Tage nach seinem Ausscheiden an den Arbeitgeber zurück, nachdem er dazu mit anwaltlicher Post aufgefordert worden war. Der Arbeitgeber machte zwei Vertragsstrafen jeweils in Höhe eines Monatsgehalts geltend: Einerseits wegen Nichteinhaltung der Kündigungsfrist und andererseits wegen der verspäteten Herausgabe des iPads. Die Klage des Arbeitgebers blieb in beiden Fällen erfolglos.
Die Entscheidung
Das LAG hielt die Vertragsstrafenregelung wegen vorzeitiger Vertragsauflösung gleich aus mehreren Gründen für unwirksam:
Die Klausel verstoße gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Dieses Gebot verpflichte den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, die Rechte und Pflichten des Vertragspartners möglichst klar, verständlich und durchschaubar darzustellen. Die Voraussetzungen und der Umfang der Leistungspflicht müssten deshalb so bestimmt sein, dass der Vertragspartner schon bei Vertragsschluss eindeutig erkennen könne, was auf ihn zukomme. Eine Klausel verletze das Transparenzgebot, wenn sie vermeidbare Unklarheiten enthalte.
Die Anforderungen an die Eindeutigkeit und Klarheit würden mit der getroffenen Vertragsstrafenregelung verfehlt. Diese knüpfe daran an, dass der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis „schuldhaft ohne Rechtsgrund und ohne Einhaltung der Kündigungsfrist“ löse. Damit lasse sie so weite Spielräume für Interpretationen, dass das Transparenzgebot verletzt sei.
Die Formulierung sei so zu verstehen, dass damit nur das Lösen des Arbeitsverhältnisses durch unentschuldigtes Fernbleiben des Arbeitnehmers von der Arbeit gemeint sei. Denn nur bei unentschuldigtem Fernbleiben löse der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis „ohne Rechtsgrund“. Eine Kündigung sei als Gestaltungserklärung dagegen stets ein Rechtsgrund, der zur Beendigung des Dauerschuldverhältnisses führe.
Die Klausel sei auch deshalb unwirksam, weil sie den Arbeitnehmer im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige.
Unangemessen ist nach der Rechtsprechung des BAG jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch geldwerte Vorteile ausgeglichen wird. Bei der Beurteilung der Unangemessenheit sind die Interessen des Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner abzuwägen.
In Anwendung dieser Grundsätze, so führt das LAG aus, verbiete sich eine einseitige Belastung des Arbeitnehmers durch Vertragsstrafenklauseln. Der Arbeitgeber mag ein anerkennenswertes Interesse daran haben, sich die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers während der Kündigungsfrist durch eine Vertragsstrafenregelung zu sichern. Vor dem Hintergrund, dass der Arbeitnehmer auf das Arbeitsentgelt angewiesen ist, um seinen Lebensunterhalt zu bestehen, hat der Arbeitnehmer indes ein nicht minder zu bewertendes Interesse an der pünktlichen Zahlung des Entgelts.
Bei Würdigung dieser beiderseitigen und gleichwertigen Interessen erscheint es unbillig, wenn in einem Arbeitsvertrag nur die unentschuldigte Arbeitsversäumnis des Arbeitnehmers, nicht aber die zu Unrecht verspätete oder unvollständige Lohnzahlung mit einer Vertragsstrafe belegt ist. Dies führt zur Unwirksamkeit der Vertragsstrafenregelung aus dem Gesichtspunkt unangemessener Benachteiligung des Arbeitnehmers. Die Einseitigkeit der Strafbewehrung von Vertragspflichtverletzungen deutet auf die Absicht des Verwenders der Klauseln hin, die Rechtsposition des Arbeitnehmers weitgehend einzuschränken, was als eine mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarende unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1BGB anzusehen ist.
Unsere Einschätzung
Das Urteil zeigt, dass das AGB-Recht bei der Ausgestaltung von Vertragsstrafenregelungen dem Verwender enge Grenzen setzt. Differenzierte und am Verhältnismäßigkeitsprinzip orientierte Regelungen sind gefragt. Unklare, pauschale und einseitig benachteiligende Formulierungen halten richterlicher Kontrolle nicht stand.
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