Verjährung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub
Steuerfachangestellte klagt auf Urlaubsanspruch
Die Klägerin verlangt die Abgeltung von 101 Urlaubstagen aus dem Jahr 2017 und den Vorjahren, während der Beklagte einwendet, diese Ansprüche seien verfallen oder verjährt.
Die Besprechung des Falls übernimmt unser Fachanwalt für Arbeitsrecht Kai Höppner.
Datum
29.09.2020
Aktenzeichen
9 AZR 266/20 (A)
Gericht
Bundesarbeitsgericht
Rechtlicher Rahmen
Im Fall 9 AZR 266/20 (A) des Bundesarbeitsgerichts (BAG) geht es um die Frage, ob die Verjährung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub mit dem Unionsrecht, speziell Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, vereinbar ist.
Die Frage stellt sich insbesondere im Kontext der nationalen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zur Verjährung. Im zu entscheidenden Fall steht die Pflicht des Arbeitgebers im Mittelpunkt, den Arbeitnehmer aktiv in die Lage zu versetzen, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen und über die Möglichkeit des Verfalls dieses Anspruchs zu informieren.
Der Sachverhalt
Die Klägerin, eine Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin, war vom 1. November 1996 bis zum 31. Juli 2017 bei dem beklagten Arbeitgeber beschäftigt. Sie hatte Anspruch auf 24 Arbeitstage Erholungsurlaub pro Kalenderjahr.
Über die Jahre hinweg nahm sie nicht ihren gesamten Urlaubsanspruch in Anspruch, und der Beklagte forderte sie weder auf, ihren restlichen Urlaub zu nehmen, noch informierte er sie über einen möglichen Verfall des Urlaubsanspruchs.
Die Klägerin verlangt nun die Abgeltung von 101 Urlaubstagen aus dem Jahr 2017 und den Vorjahren, während der Beklagte einwendet, diese Ansprüche seien verfallen oder verjährt.
BAG: Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH
Das BAG hat das Verfahren ausgesetzt und ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gerichtet.
Es fragt, ob die Unionsrechtsvorschriften einer nationalen Regelung entgegenstehen, die den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub einer regelmäßigen Verjährungsfrist unterwirft, insbesondere wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht aktiv in die Lage versetzt hat, diesen Anspruch wahrzunehmen.
Das Gericht betont die Notwendigkeit, den Schutz der Sicherheit und Gesundheit des Arbeitnehmers zu gewährleisten, und hinterfragt die Kompatibilität der Verjährungsfristen des deutschen BGB mit diesem Ziel.
Unser Fazit
Das vorliegende Verfahren unterstreicht die Bedeutung des aktiven Beitrags des Arbeitgebers zur Gewährleistung des Urlaubsanspruchs des Arbeitnehmers im Einklang mit dem Unionsrecht. Es stellt die Praxis der Verjährung von Urlaubsansprüchen infrage und könnte bedeutsame Implikationen für die Behandlung nicht genommenen Urlaubs in Deutschland haben.
Die Entscheidung des EuGH wird maßgeblich zur Klärung des Spannungsverhältnisses zwischen nationalen Verjährungsregelungen und dem Unionsrecht beitragen.
Weiterführende Links
An dieser Stelle finden Sie das besprochene Urteil sowie weiterführende Links zu Rechtstexten.
- BAG vom 29.09.2020: 9 AZR 266/20 (A) Urlaubsanspruch | Verletzung Obliegenheit des AG | Verjährung
- Art. 7 RL 2003/88/EG
- Art. 31 Abs. 2: Charta der Grundrechte der Europäischen Union
- §§ 1, 3, 7 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG): Mindesturlaubsgesetz für Arbeitnehmer
- §§ 194, 195, 199 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
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