Entzug des Dienstwagens
Widerruf der Privatnutzung eines Dienstwagens
Bei der Rückgabe des Dienstwagens an den Arbeitgeber kommt es oftmals zum Streit, insbesondere einer lückenhaften Dienstwagen-Vereinbarung. So auch in dem vom LAG Hamm entschiedenen Fall.
Die Besprechung des Falls übernimmt unser Fachanwalt für Arbeitsrecht Christian Wieneke-Spohler.
Datum
23.01.2024
Aktenzeichen
6 Sa 1030/23
Gericht
LAG Hamm
Einordnung
Schlecht bewertete Arbeitgeber haben gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ein Problem. Viele Arbeitnehmer nutzen Bewertungsplattformen, um sich einen Eindruck von potentiellen Arbeitgebern zu machen. Stoßen Sie auf schlechte Bewertungen, bleiben Bewerbungen aus und werden Wettbewerber bevorzugt. Von derartigem Risiko betroffene Arbeitgeber lässt die Rechtsprechung allerdings nicht schutzlos, wie der Beschluss des OLG Hamburg vom 08.02.2024 zeigt.
Der Sachverhalt
Der Kläger war seit 2009 bei der Beklagten beschäftigt. Sein Bruttojahresgehalt belief sich zuletzt auf 130.000 € inklusive des geldwerten Vorteils für die Privatnutzung eines Dienstwagens in Höhe von 1.119 € pro Monat. Im Jahr 2015 wurde der Kläger als Sales Manager innerhalb des Geschäftsbereichs Marketing und Vertrieb eingesetzt. Ihm wurde ein sogenanntes funktionsabhängiges Geschäftsfahrzeug zur Verfügung gestellt.
Ab 2021 stieg der Kläger zum Gebietsleiter Verkauf auf. Die Übertragung einer anderen, gleichwertigen Tätigkeit blieb vorbehalten. Die Nutzung des Geschäftsfahrzeugs wurde an die Berechtigung nach den „jeweils gültigen betrieblichen Regelungen“ geknüpft. Mit Beendigung der Tätigkeit sollte die Leistung entfallen. Bei „Vorliegen eines sachlichen Grundes“ sollte das Unternehmen zum jederzeitigen Widerruf der Leistung berechtigen.
Der Anspruch auf das Geschäftsfahrzeug war an die „Ausübung einer definierten Tätigkeit“ gebunden und bestand nur für die Dauer ihrer Ausführung. Zusätzlich war die Notwendigkeit des Geschäftsfahrzeuges zur Ausübung dieser Tätigkeit nachzuweisen.
Als Kriterium zum Nachweis der Notwendigkeit galt unter anderem das Erfordernis „dauerhaft hoher Mobilität, die durch ständig wiederkehrende dienstliche Abwesenheit von mehr als 50% geprägt“ sei.
Bei einer turnusmäßigen Überprüfung im März 2023 vermochte die Beklagte das Erfordernis einer „dauerhaften hohen Mobilität im Sinne einer dienstlichen Abwesenheit von mehr als 50%“ beim Kläger nicht festzustellen. Sie forderte ihn daraufhin zur Rückgabe des Dienstwagens bis zum Jahresende auf.
Das Urteil
Der Kläger erhob Klage auf Überlassung des Geschäftsfahrzeugs auch zur privaten Nutzung über den 31.12.2023 hinaus. Er unterlag in erster Instanz vor dem Arbeitsgericht, gewann hingegen die Berufung vor dem LAG Hamm. Das LAG folgte der Argumentation des Klägers.
Die Überlassung eines Dienstwagens auch zur privaten Nutzung sei Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung, damit Teil des geschuldeten Arbeitsentgelts und solange geschuldet, wie der Arbeitgeber Arbeitsentgelt leisten müsse.
Dieser Anspruch wäre nur dann zu verneinen, wenn die Beklagte zur Rückforderung berechtigt wäre, namentlich eine wirksam vereinbarte auflösende Bedingung eingetreten sei (a) oder von einem wirksam vereinbarten Widerrufsvorbehalt wirksam Gebrauch gemacht worden wäre (b).
Variante (a): Anspruch wäre zu verneinen
Bei der Klausel zur dienstlichen Notwendigkeit des Geschäftsfahrzeuges, auf welche sich die Beklagte beziehe, handele es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S. von §§ 305 Absatz 1 Satz 1, 310 Absatz 3 Nr. 1, Nr. 2 BGB.
Nach § 307 Absatz 3 Satz 2, Absatz 1 Satz 2 BGB könne sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich sei (Transparenzgebot).
Vorliegend sei bereits unklar, wann eine dauerhaft hohe Mobilität zu verneinen und für welchen konkreten längeren Zeitraum die dienstliche Abwesenheit nachzuweisen sei. Des Weiteren sei unklar, welche Reisen mit dem Geschäftsfahrzeug bei der Frage der dienstlichen Abwesenheit zu berücksichtigen seien (z.B. bei Fahrten zum Flughafen, wenn von dort aus eine Geschäftsreise angetreten werde).
Ferner erschließe sich nicht, wie die Quote von mindestens 50% der Arbeitstage berechnet werden solle. Es sei unklar, ob es auf die jeweilige individuelle Arbeitszeit des Arbeitnehmers oder auf die jährliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers ankomme und inwieweit Urlaub, Krankheit und Feiertage zu berücksichtigen seien.
Schließlich ergebe sich die Intransparenz auch aus der Kombination von auflösender Bedingung in dem allgemeinen Regelwerk der Beklagten mit dem Widerrufsvorbehalt in der Vertragsergänzung aus dem Jahre 2021.
Es sei für einen durchschnittlichen Arbeitnehmer unverständlich, wenn einerseits detailliert geregelte Voraussetzungen für den Entzug des Geschäftsfahrzeuges geregelt würden, andererseits aber nach der Vertragsergänzung jede Änderung der vertraglichen Aufgaben zum Widerruf berechtigen solle. Führe eine Änderung der arbeitsvertraglichen Aufgaben zu einer geringeren Nutzung des Geschäftsfahrzeugs, so sei sowohl der Anwendungsbereich des Widerrufsvorbehalts als auch der Anwendungsbereich der auflösenden Bedingungen betroffen.
Variante (b): Anspruch wäre zu verneinen
Der Anspruch des Klägers auf Überlassung eines Geschäftsfahrzeuges zur Privatnutzung sei auch nicht durch einen Widerruf der Beklagten untergegangen. Das Schreiben der Beklagten vom 24.04.2023 enthalte schon keinen Widerruf. Die Beklagte fordere darin das Geschäftsfahrzeug zum 31.12.2023 zurück, da die Voraussetzungen für die Überlassung des Geschäftsfahrzeuges nach ihrer Rechtsauffassung nicht mehr vorlägen. Diese Erklärung stelle vom Wortlaut her keinen Widerruf dar und könne auch nicht gemäß § 133 BGB als solche ausgelegt werden.
Zudem sei der in der Vertragsergänzung aus dem Jahre 2021 geregelte Widerrufsvorbehalt nach §§ 307 Abs. 1 Satz 1, 308 Nr. 4 BGB unwirksam. Bei der Widerrufsklausel handele es sich wiederum um eine Allgemeine Geschäftsbedingung und unterliege als eine von Rechtsvorschriften abweichende Bestimmung der uneingeschränkten Inhaltskontrolle nach § 307 Absatz 3 Satz 1 BGB.
Diese Kontrolle führe zur Unwirksamkeit des Widerrufsvorbehalts, da die Klausel die Beklagte zum Widerruf des Geschäftsfahrzeuges auch aus Gründen berechtige, die für den Kläger nicht zumutbar seien. Auch wenn der Arbeitgeber im Grundsatz ein anerkennenswertes Interesse daran habe, bestimmte Leistungen flexibel auszugestalten, dürfe das Wirtschaftsrisiko nicht auf die Arbeitnehmer verlagert werden. Eingriffe in den Kernbereich des Arbeitsvertrages seien nach der Wertung des § 307 Abs. 2 BGB nicht zulässig.
Die vorliegende Klausel sehe als sachlichen Grund für einen Widerruf organisatorische Gründe, unter anderem die Änderung der übertragenen arbeitsvertraglichen Aufgaben, vor. Allerdings vermöge nicht jede Änderung der Arbeitsaufgabe einen anzuerkennenden Sachgrund für den Entzug der Dienstwagennutzung und der damit verbundenen privaten Nutzungsmöglichkeit darzustellen, und zwar auch dann nicht, wenn der geldwerte Vorteil der Privatnutzung – wie hier – weniger als 25 % der Gesamtvergütung ausmache.
Unser Fazit
Die Privatnutzung eines Dienstwagens ist eine Sachleistung des Arbeitgebers mit Entgeltcharakter. Sie kann durch Freiwilligkeitsvorbehalte nicht entzogen werden. Zulässig ist ein vertraglicher Widerrufsvorbehalt, sofern die Grundsätze der Allgemeinen Geschäftsbedingungen strikt beachtet werden.
Widerrufsgründe müssen konkret, verständlich und nachvollziehbar bereits in der Überlassungsvereinbarung beschrieben werden. Ein Widerruf aus „wirtschaftlichen Gründen“ genügt den Erfordernissen der Transparenz nicht. Greift der Widerruf in den Kernbereich des Entgeltgefüges ein (der Wert der Privatnutzung stellt mehr als 25 % des gesamten Entgeltes dar), bedarf es außerdem einer Änderungskündigung.
Weiterführende Links
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