Kündigungsschutzklage und Überstunden im Prozessvergleich

Der Begriff „Freizeitausgleichsanspruch“

Rechtlicher Rahmen

Kündigungsschutzklagen vor dem Arbeitsgericht werden vielfach durch einen sog. Prozessvergleich beendet. Zum Inhalt eines solchen Vergleiches gehört in der Regel, dass der Arbeitnehmer unwiderruflich unter Fortzahlung der Vergütung sowie unter Anrechnung auf eventuell noch bestehende Urlaubs- und Freizeitausgleichsansprüche bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses freigestellt wird. Bei dieser Formulierung ist Vorsicht geboten. So hat das LAG Hamm mit Urteil vom 24.03.2023 erkannt, dass von der Formulierung „Freizeitausgleichsansprüche“ auch etwaige Ansprüche auf Überstundenvergütung erfasst werden.

Der Sachverhalt

In dem entschiedenen Fall hatte der Arbeitnehmer Klage gegen eine betriebsbedingte Kündigung vom 19.08.2021 erhoben. Das Arbeitsverhältnis endete durch gerichtlichen Vergleich vom 04.10.2021, der eine Regelung über die unwiderrufliche Freistellung des Arbeitnehmers bis zum Beschäftigungsende am 30.06.2022 enthielt. Eine Erledigungsklausel – sog. Generalquittung – nahmen die Parteien im Hinblick auf das über das Prozessende hinaus bestehende Arbeitsverhältnis nicht auf. Später kam es zu Unstimmigkeiten, als der Arbeitnehmer noch eine Überstundenvergütung verlangte und deshalb Zahlungsklage erhob.

Das Urteil

Das LAG entschied, dass der Wortlaut der von den Parteien in dem gerichtlichen Vergleich gewählten Formulierung, Freizeitausgleichsansprüche seien auf die bezahlte Freistellung anzurechnen, weit zu verstehen sei und mit Freizeitausgleichsansprüchen alle Ansprüche gemeint seien, die der Kompensation für ein erbrachtes Arbeitszeitvolumen zuzurechnen seien, das die durchschnittliche Arbeitszeit überschritten habe. 

Bei der Formulierung, „Urlaubs- und Freizeitausgleichsansprüche sollen auf den Zeitraum der Freistellung angerechnet werden“ handele es sich um eine typische Formulierung in einem arbeitsgerichtlich protokollierten Vergleich. Die Vertragsparteien wollten damit erreichen, dass etwaige offene Urlaubsansprüche, die häufig streitig seien, ebenso wie sonstige Ansprüche auf Freizeitausgleich, mögen Sie aus Arbeitszeitkonten oder erbrachten Überstunden folgen, in den Zeitraum der erfolgten bezahlten Freistellung hinein fallen und verrechnet würden. 

Über die Berechtigung solcher Ansprüche entstünden zwischen Arbeitsvertragsparteien gerade im Zusammenhang mit der Abwicklung eines Arbeitsverhältnisses häufig Streit. Werde eine Klausel über die Anrechnung von Freizeitausgleichsansprüchen auf den Freistellungszeitraum in einem gerichtlichen Vergleich aufgenommen, sollten diese tatsächlichen Unsicherheiten im Sinne des § 779 Abs. 1 BGB durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt werden. Der Begriff „Freizeitausgleichsanspruch“ sei vor diesem Hintergrund in einem weiten Sinne zu verstehen und erfasse damit auch Überstundenabgeltungsansprüche.

Unsere Einschätzung

Arbeitnehmern ist deshalb zu raten, übliche Klauseln wie die Freizeitausgleichsklausel nicht unbedacht in einen Vergleich aufzunehmen, sondern mögliche Ansprüche im Zusammenhang mit Urlaub, Überstunden, Schadensersatz etc. zuvor abschließend zu prüfen oder sich derartige Ansprüche ansonsten ausdrücklich vorzubehalten.

Quelle

  • LAG Hamm v. 24.03.2023 (1 Sa 1317/22)

Sie haben Fragen?

Unsere Fachanwälte stehen Ihnen mit langjähriger Erfahrung im Arbeitsrecht gerne zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns!

Portrait von Christian Wieneke-Spohler, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Christian Wieneke-Spohler
Portraitfoto von Kai Höppner, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Hamburg
Kai Höppner