BAG-Urteil vom 03.06.2025, Aktenzeichen 9 AZR 104/24
Das Risiko eines Urlaubsverzichts beim Vergleich
Bei einer sogenannten Abgeltungsverzichtklausel verzichtet der Arbeitnehmer einvernehmlich auf seinen Urlaubs(abgeltungs)anspruch. Doch hier ist Vorsicht geboten, wie ein aktuelles BAG-Urteil zeigt.
Die Urteilsbesprechung übernimmt unser Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht und Medizinrecht, Kai Höppner.
Kai Höppner
Datum
03.06.2025
Aktenzeichen
9 AZR 104/24
Gericht
Bundesarbeitsgericht
Einordnung
Zum herkömmlichen Inhalt von Aufhebungs- oder Abwicklungsvereinbarungen anlässlich der einvernehmlichen Beendigung von Arbeitsverhältnissen gehören Urlaubsklauseln. Handelt es sich dabei um sogenannte Abgeltungsverzichtklauseln, das heißt verzichtet der Arbeitnehmer auf seinen Urlaubs(abgeltungs)anspruch, ist Vorsicht geboten.
Zu unterscheiden ist der gesetzlich geregelte Mindesturlaubsanspruch von einem individuell vereinbarten Anspruch auf Mehrurlaub. Auf Letzteren kann verzichtet werden, auf Ersteren nicht.
Der gesetzliche Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub darf im Voraus weder ausgeschlossen noch beschränkt werden – auch nicht durch einen gerichtlichen Vergleich.
Der Sachverhalt
Im vorliegenden Fall stritten die Parteien über die Abgeltung von sieben Tagen gesetzlichen Mindesturlaubs aus dem Jahr 2023. Der Kläger war bei der Beklagten vom 01. Januar 2019 bis zum 30. April 2023 als Betriebsleiter beschäftigt. Im Jahr 2023 war er von Beginn an bis zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses durchgehend arbeitsunfähig erkrankt und deshalb nicht in der Lage, seinen Urlaub aus diesem Jahr in Anspruch zu nehmen.
In einem gerichtlichen Vergleich vom 31. März 2023 verständigten sich die Parteien u.a. darauf, dass das zwischen Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 10.000 € durch arbeitgeberseitige Kündigung zum 30. April 2023 endet. In dem Vergleich hieß es weiter: „Urlaubsansprüche sind in natura gewährt“.
In der dem Vergleichsschluss vorausgehenden Korrespondenz zwischen den Parteien hatte die Anwältin des Klägers auf die rechtliche Problematik einer solchen Klausel hingewiesen, sich aber bei Abschluss des Vergleichs über die rechtlichen Bedenken hinweggesetzt.
Mit seiner Klage verlangte der Kläger nunmehr von der Beklagten die Abgeltung der noch offenen sieben Tage gesetzlichen Mindesturlaubs aus dem Jahr 2023 . Bereits die Vorinstanzen gaben dem Kläger recht. Das BAG wies die Revision der Beklagten – mit Ausnahme einer geringfügigen Zinsforderung – zurück.
Das Urteil
Das BAG hielt den zwischen den Parteien vereinbarten Verzicht auf den Mindesturlaub für unwirksam.
Es verwies auf § 13 Abs. 1 Satz 3 Bundesurlaubsgesetz, wonach von den Bestimmungen des Bundesurlaubsgesetzes grundsätzlich nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden darf, auch nicht mit dessen Einverständnis. Zu diesen Bestimmungen gehört die Vorschrift des § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz. Sie besagt:
„Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, ist er abzugelten“.
Das entspricht dem Verbot, auf Naturalurlaub im bestehendem Arbeitsverhältnis zu verzichten. In beiden Fällen sind entgegenstehende Vereinbarungen Im Hinblick auf den bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstehenden gesetzlichen Urlaubsanspruch gem. § 134 BGB unwirksam.
Wenig hilfreich ist in diesem Zusammenhang der Versuch, der Rechtsfolge der Unwirksamkeit durch einen sog. Tatsachenvergleich zu entgehen.
Auch darauf hat das BAG in seinem Urteil hingewiesen. Ein Tatsachenvergleich setze voraus, dass eine bestehende Unsicherheit über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs durch gegenseitiges Nachgeben ausgeräumt werden soll. Angesichts der im konkreten Fall seit Anfang des Jahres 2023 durchgehend bestehenden Arbeitsunfähigkeit des Klägers konnte keine Unsicherheit über die tatsächlichen Voraussetzungen des Urlaubsanspruchs bestanden haben.
Schließlich wies das BAG den Einwand der Beklagten zurück, dem Kläger sei es nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit des Anspruchsausschlusses zu berufen. Die Beklagte, so das BAG, habe nicht auf den Bestand einer offensichtlich rechtswidrigen Regelung vertrauen dürfen.
Selbst wenn feststeht, dass ein Arbeitnehmer krankheitsbedingt keinen Urlaub mehr nehmen kann, bleibt der Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs bestehen.
Unser Fazit
Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann der Arbeitnehmer auf den ihm zustehenden Urlaubsabgeltunganspruch verzichten, z.B. durch eine Ausgleichklausel in einem Vergleich. Im laufenden Arbeitsverhältnis ist ein Verzicht wegen des Verstoßes gegen gesetzliches Verbot aber unwirksam, soweit es den gesetzlichen Mindesturlaub betrifft.
Der Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses ist also genau zu beachten. Klauseln wie „Urlaub ist tatsächlich gewährt und genommen“ können zu Nachforderungen führen, wenn der Urlaub tatsächlich nicht gewährt wurde.
Weiterführende Links
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