LAG Niedersachsen vom 13.05.2025, Aktenzeichen 10 SLa 687/24
Strenger Maßstab für Druckkündigung
Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (Urt. v. 13.05.2025 – Az.: 10 SLa 687/24) hatte sich mit einem besonders spannenden Konflikt im Arbeitsrecht zu befassen:
Ein Arbeitgeber kündigte außerordentlich – mit Auslauffrist – nachdem sich Kollegen massiv gegen die weitere Zusammenarbeit mit einem Arbeitnehmer ausgesprochen hatten. Bereits in der Vorinstanz, dem Arbeitsgericht Hannover, war diese Kündigung gescheitert.
Vor dem LAG stand nun nicht nur die Wirksamkeit dieser Kündigung, sondern auch die Frage im Raum, ob der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis notfalls durch einen gerichtlichen Auflösungsantrag beenden kann.
Die Urteilsbesprechung übernimmt unser Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht, Christian Wieneke-Spohler.

Christian Wieneke-Spohler
Datum
13.05.2025
Aktenzeichen
10 SLa 687/24
Gericht
LAG Niedersachsen
Einordnung
Die von einem Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung eines Arbeitsverhältnisses beruht nicht in allen Fällen auf originärer eigener Entschlussfassung. Vielfach kommt der Anstoß zur Kündigung von dritter Seite.
Drängen Mitarbeiter etwa auf Entlassung eines Vorgesetzten wegen fragwürdigen Führungsstils oder eines Kollegen wegen unkollegialen Verhaltens oder verlangen Kunden vom Arbeitgeber unter Androhung von Nachteilen die Entlassung eines Arbeitnehmers, handelt es sich um den Sonderfall der Druckkündigung, wenn der Arbeitgeber dem Verlangen nachgibt.
Mit dieser Beendigungsform musste sich das LAG Niedersachsen in seinem Urteil vom 13.05.2025 auseinandersetzen.
Der Sachverhalt
Betroffen war ein Arbeitnehmer mit mehr als 15-jähriger Betriebszugehörigkeit, der nach Vollendung seines 40. Lebensjahres tariflich als unkündbar – außer aus wichtigem Grund – galt.
Der Arbeitnehmer hatte sich nichts zu Schulden kommen lassen, was eine außerordentliche Kündigung hätte rechtfertigen können. Indes geriet der Arbeitgeber unter den Druck der Belegschaft, die wegen anhaltender Konflikte zwischen dem Kläger und seinen Kollegen unter Androhung eigener Kündigungen die Entlassung des Mitarbeiters verlangten.
Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis fristlos mit sozialer, der ordentlichen Kündigung entsprechenden Auslauffrist und berief sich auf das Recht zur Druckkündigung.
Im Kündigungsschutzprozess stellte der Arbeitgeber hilfsweise den Antrag, das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen.
Das Urteil
Das LAG wies das Begehren des Arbeitgebers in doppelter Hinsicht zurück:
Es stützte sich auf die hergebrachten Grundsätze zur Druckkündigung, die nur in engen Grenzen zulässig ist. Fehlt es an einem zwingenden personen- oder verhaltensbedingten Kündigungsgrund, muss sich der Arbeitgeber in Wahrnehmung seiner Fürsorgepflicht zunächst schützend vor den Arbeitnehmer stellen und versuchen, die Dritten (Mitarbeiter oder Kunden) von ihrer Forderung abzubringen.
Bleibt der Arbeitgeber damit erfolglos, hat er mildere Mittel zur Deeskalation einzusetzen, zum Beispiel eine Mitarbeiterversammlung einzuberufen, professionelle Mediation anzubieten, den Mitarbeiter zu versetzen.
Erst wenn der Arbeitgeber nach Ausschöpfung aller milderen Mittel erfolglos bleibt und bei Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers schwere betriebliche oder wirtschaftliche, nicht anders abwendbare Nachteile drohen, ist die Druckkündigung als Ultima Ratio zulässig.
Im vorliegenden Fall scheiterte der Arbeitgeber bereits auf der ersten Stufe: Es fehlte an einem ernsthaften, konkreten, aktiven und zielgerichteten Vorgehen des Arbeitgebers bei den Bemühungen um Störungsbeseitigung.
Auch die „Hilfslösung“ des Arbeitgebers scheiterte: Denn das Kündigungsschutzgesetz sieht in § 9 Abs. 1 den grundsätzlich zulässigen Auflösungsantrag des Arbeitgebers nur bei sozialwidrigen (ordentlichen) Kündigungen vor. Ein Auflösungsantrag des Arbeitgebers scheidet also aus, wenn der Arbeitnehmer unkündbar ist.
Im Falle der Rechtsunwirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung steht der Auflösungsantrag deshalb nur dem Arbeitnehmer zu.
Im Fall einer unwirksamen außerordentlichen Kündigung steht der Auflösungsantrag ausschließlich dem Arbeitnehmer zu – ohne Ausnahmen, auch nicht bei tariflichem Ausschluss der ordentlichen Kündigung.
Unser Fazit
Nach alledem empfiehlt sich für Arbeitgeber, auf Konflikte am Arbeitsplatz ohne Verzug zu reagieren, also frühzeitig das Gespräch mit den Beteiligten zu suchen und Moderation bzw. professionelle Mediation anzubieten.
Dabei gilt es, die objektive, allen Arbeitnehmern zu gute kommende arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht zu betonen, Neutralität zu wahren, sich gegen Gruppendruck zu verwahren, damit Führungsstärke zu zeigen und intern und extern zu dokumentieren, welche konkreten Bemühungen zur Konfliktlösung unternommen wurden, z.B. Protokolle über Gesprächsverläufe und Angebote zur Mediation.
Denn vor Gericht kommt es auf die glaubhafte Darlegung konkreter, zumutbarer und zielgerichteter Lösungsbemühungen an.
Weiterführende Links
An dieser Stelle finden Sie das besprochene Urteil sowie weiterführende Links zu Rechtstexten.
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