LAG Baden-Württemberg vom 04.11.2024, Aktenzeichen 9 Sa 42/24

Home-Office statt betriebsbedingter Änderungskündigung?

Darf ein Arbeitgeber bei einer Standortverlagerung die vollständige Arbeit im Homeoffice verweigern, obwohl ein Mitarbeiter dies ausdrücklich verlangt und auch bisher regelmäßig von zu Hause gearbeitet hat?

Mit dieser spannungsgeladenen Frage beschäftigte sich das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 04.11.2024 (Az.: 9 Sa 42/24).

Die Urteilsbesprechung übernimmt unser Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht und Medizinrecht, Kai Höppner.

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Fachanwalt
Kai Höppner

Datum

04.11.2024

Aktenzeichen

9 Sa 42/24

Gericht

LAG BW

Einordnung

Mit begrüßenswerter Klarheit hat das LAG Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 04.11.2024 die aktuelle Rechtslage zum Anspruch auf Arbeit im Home-Office beschrieben:

Im Rahmen seiner unternehmerischen Organisationsentscheidung legt der Arbeitgeber die Arbeitsorte für die vertraglich geschuldeten Tätigkeiten fest. Es ist dem Arbeitgeber überlassen zu entscheiden, ob er seinen Arbeitnehmern anbietet, die vertraglich geschuldete Arbeit im Home-Office zu leisten.

Deshalb besteht im Grundsatz kein Anspruch des Arbeitnehmers auf Home-Office – wohl aber in seltenen Ausnahmefällen, wenn das Ermessen des Arbeitgebers gemäß § 106 Abs. 1 Gewerbeordnung „auf Null reduziert“ ist. Das gilt für die Fallgruppen der leidensgerechten Beschäftigung, eines erheblichen Krankheitsrisikos im Betrieb oder in familiären Notsituationen.

Besteht kein Anspruch des Arbeitnehmers auf einen Arbeitsplatz im Home-Office, ist der Arbeitgeber auch nicht verpflichtet, ihn zu schaffen oder hierfür die Kosten zu tragen.

Der Sachverhalt

Es ging um einen langjährig beschäftigten Meister „Endmontage, Kühlturmbau und Versand“ an einem Standort, der aufgrund unternehmerischer Entscheidung geschlossen wurde.

Die Beklagte sprach eine Änderungskündigung aus und bot an, das Arbeitsverhältnis zu im Übrigen unveränderten Bedingungen an einen ca. 240 km entfernt gelegenen Standort fortzusetzen.

Der Kläger hatte in der Vergangenheit mehrere Tage in der Woche von zu Hause aus gearbeitet. Er vertrat die Auffassung, die Beklagte hätte ihm im Rahmen der Änderungskündigung als milderes Mittel anbieten müssen, seine Tätigkeit vollständig im Home-Office an seinem bisherigen Wohnort auszuüben und nur gelegentlich zu erforderlichen Besprechungen an den neuen Betriebsort zu reisen.

Das Urteil

Das LAG stellte in seinem die Berufung zurückweisenden Urteil klar, dass es den von dem Kläger begehrten Arbeitsplatz bisher bei der Beklagten nicht gab. Er habe in der Vergangenheit nicht vollständig im Home-Office gearbeitet, folglich habe ein solcher Arbeitsplatz nicht existiert.

Bei einer Tätigkeit ausschließlich im Home-Office und einer Mischform aus Büro- und Home-Office-Tätigkeit handele es sich um verschiedene Arbeitsplätze. Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, anstelle einer Änderungskündigung einen neuen Arbeitsplatz im Home-Office zu schaffen, bestehe nicht.

Die Möglichkeit, dem Arbeitnehmer die Erbringung der Arbeitsleistung aus dem Homeoffice zu gestatten, stellt kein milderes Mittel gegenüber einer Änderungskündigung dar.

Unser Fazit

Betriebsbedingte Änderungskündigungen sind nicht von vornherein unwirksam, wenn Home-Office abgelehnt wird. Der Arbeitgeber hat es in der Hand, Home-Office-Arbeitsplätze zu reduzieren oder abzuschaffen. Keinesfalls ist er verpflichtet, solche Arbeitsplätze zu ermöglichen, es sei denn, individuelle Vereinbarungen oder die beschriebenen Ausnahmetatbestände stünden entgegen.

Weiterführende Links

An dieser Stelle finden Sie das besprochene Urteil sowie weiterführende Links zu Rechtstexten.

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