Wartezeit versus Probezeit | Urteilsbesprechung

Arbeitgeber kündigt kurz vor Ablauf der Probezeit

Rechtlicher Rahmen

Im Arbeitsvertrag kann eine Probezeit vereinbart werden, die max. 6 Monate betragen darf. Die Konsequenz einer solchen Probezeit ist eine deutlich verringerte Kündigungsfrist, nämlich auf lediglich 14 Tage nach § 622 Abs. 3 BGBMit dieser verkürzten Kündigungsfrist kann auch noch am letzten Tag der Probezeit gekündigt werden, selbst wenn das Ende der Kündigungsfrist dann außerhalb der Probezeit liegt.

Demgegenüber betrifft die Wartezeitkündigung eine Kündigung in den ersten 6 Monaten des Arbeitsverhältnisses, sodass das Kündigungsschutzgesetz auf das Arbeitsverhältnis noch nicht Anwendung findet.

Voraussetzung der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes sind einerseits mehr als 10 Mitarbeiter und andererseits ein länger als 6 Monate bestehendes Arbeitsverhältnis. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, muss der Arbeitgeber im Falle der Kündigung die soziale Rechtfertigung der Kündigung nicht nachweisen. Er muss dann lediglich die gesetzliche oder vereinbarte Kündigungsfrist einhalten.

Auch wenn eine kürzere als 6-monatige Probezeit vereinbart ist, der Arbeitgeber aber noch vor Ablauf von 6 Monaten das Arbeitsverhältnis gekündigt, muss der Arbeitgeber somit lediglich die Kündigungsfrist berücksichtigen, jedoch keinerlei Kündigungsgründe nachweisen.

Beispiel: Probezeit beträgt drei Monate. Die Kündigung des Arbeitgebers erfolgt nach dem vierten Monat. Dann muss der Arbeitgeber zwar die Kündigungsfrist berücksichtigen, aber keine Kündigungsgründe nachweisen.

Der Sachverhalt

Dies wird auch noch einmal durch das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 08.07.2021 (Az. 5 Sa 387/20) bestätigt. In dem entschiedenen Fall war eine Probezeit von lediglich 3 Monaten vereinbart und der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis kurz vor Ablauf des 6. Monats. 

Das Urteil des Arbeitgerichts

Die Klage des Arbeitnehmers wurde abgewiesen mit folgender Begründung:

  • Das Kündigungsschutzgesetz gilt erst, wenn das Verhältnis länger als 6 Monate bestanden hat. Erst dann muss der Arbeitgeber die Gründe für die Kündigung nachweisen.
  • Demgegenüber bedeutet die Vereinbarung der Probezeit lediglich, dass in der Probezeit von beiden Parteien des Arbeitsverhältnisses eine Kündigung mit verkürzter Kündigungsfrist ausgesprochen werden kann.
  • Ist zwar die Probezeit absolviert, die 6-monatige Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes aber noch nicht, kann der Arbeitgeber eine Kündigung aussprechen, ohne dass er hierfür eine soziale Rechtfertigung nachweisen muss. Auch bei absolvierter Probezeit kann der Arbeitnehmer nicht darauf vertrauen, dass das Arbeitsverhältnis über die 6-monatige Wartezeit hinaus fortbesteht. Das gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer in der Hoffnung auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses finanzielle Aufwendungen getätigt hat, beispielsweise Anmietung einer Zweitwohnung am Sitz der Firma.

Unser Fazit

Arbeitnehmer sollten die Vereinbarung einer Probezeit nicht mit der Wartezeit im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes verwechseln.

Weiterführende Links

An dieser Stelle finden Sie das besprochene Urteil sowie weiterführende Links zu Rechtstexten und anderen Quellen, die im Zusammenhang für die eigene Lektüre hilfreich sein könnten.

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Portraitfoto von Kai Höppner, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Hamburg
Kai Höppner
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