Kündigung in der Wartezeit: Anhörung Betriebsrat

Arbeitnehmer klagt gegen Arbeitgeber

Rechtlicher Rahmen

Besteht ein Arbeitsverhältnis in einem Betrieb mit mehr als zehn Arbeitnehmern bei Zugang einer Kündigung noch keine sechs Monate (Wartezeit), findet der Kündigungsschutz gem. § 1 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) keine Anwendung.

Ist in dem Betrieb ein Betriebsrat gewählt, kommt § 102 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zu Anwendung. Danach ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören (Satz 1). Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitzuteilen (Satz 2). Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam (Satz 3)

Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Diese gesetzliche Regelung gilt für jede Art der Kündigung seitens des Arbeitgebers: Die ordentliche oder außerordentliche Kündigung sowie die Kündigung in der Wartezeit.

Der Sachverhalt

Auf § 102 BetrVG berief sich der Kläger (Arbeitnehmer) in dem vom LAG Hamm am 08.09.2023 entschiedenen Fall. Der Arbeitgeber hatte eine Wartezeitkündigung gegenüber dem Betriebsrat lediglich wie folgt begründet:

„Auf das Arbeitsverhältnis findet das KSchG noch keine Anwendung. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ist nicht in unserem Interesse“.

Der Kläger war der Meinung, damit sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß unterrichtet worden; der Arbeitgeber habe nur seinen Kündigungsentschluss und damit lediglich mitgeteilt, dass er eine Kündigung aussprechen wolle, nicht aber, warum er an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses kein Interesse mehr habe.

Ein solches Interesse habe ein zur Kündigung entschlossener Arbeitgeber nie. Nur wenn der Betriebsrat wisse, warum der Arbeitgeber kein Interesse mehr an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses habe und er sich damit auseinandersetzen könne, sei der Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens erfüllt.

Das Urteil des Arbeitgerichts

Mit dieser Begründung setzte sich der Kläger nicht durch. Seine Klage gegen die vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung wurde vor dem Arbeitsgericht abgewiesen, seine Berufung wies das LAG Hamm zurück. Für die Entscheidungen waren folgende Erwägungen maßgeblich:

Urteilsbegründung

Merkmale der Unterrichtungspflicht

Bei einer Kündigung in der Wartezeit sei die Unterrichtungspflicht nicht an den objektiven Merkmalen der Kündigungsgründe des noch nicht anwendbaren § 1 KSchG, sondern allein an den Umständen zu messen, aus denen der Arbeitgeber subjektiv seinen Kündigungsentschluss herleite. Das folge aus dem Grundsatz der subjektiven Determination (vgl. BAG, Urteil vom 12.09. 2013 – 6 AZR 121/12).

Nach diesem Grundsatz sei der Betriebsrat immer dann ordnungsgemäß angehört, wenn der Arbeitgeber ihm die Gründe mitgeteilt habe, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen, sei es auch nur der Umstand, dass der Arbeitgeber sich von seinem „Gefühl“ leiten lasse und von seiner Kündigungsfreiheit Gebrauch machen wolle.

Anforderungen an die Informationen für den Betriebsrat

Hinsichtlich der Anforderungen, die an die Information des Betriebsrats durch den Arbeitgeber bei Wartezeitkündigungen zu stellen seien, sei zu unterscheiden zwischen Kündigungen, die auf substantiierbare Tatsachen gestützt würden und Kündigungen, die auf personenbezogenen Werturteilen beruhen. 

Im ersten Fall genüge die Anhörung den Anforderungen des § 102 BetrVG nur, wenn dem Betriebsrat die zugrundeliegenden Tatsachen mitgeteilt würden, im zweiten Fall reiche die Mitteilung allein des Werturteils für eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung aus. 

Der Arbeitgeber sei im zweiten Fall nicht verpflichtet, im Rahmen des Anhörungsverfahrens sein Werturteil gegenüber dem Betriebsrat zu begründen, auch dann nicht, wenn die dem Urteil zugrunde liegenden Ansatzpunkte einen substantiierbaren Tatsachenkern hätten.

In der Regel beruhen Werturteile auf einer Vielzahl kleinerer Beobachtungen, Vorfälle oder Verhaltensweisen und damit auf mehr oder minder fundierten objektiven Tatsachen, die der Arbeitgeber oft nicht abschließend reflektieren könne oder wolle und vielfach auch nicht objektivierbar seien. Gleichwohl vermitteln diese Umstände in ihrer Gesamtheit dem Arbeitgeber das „Gefühl“, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht sinnvoll erscheine. Dieses „Gefühl“ manifestiere sich dann in einem Werturteil, etwa dass der Arbeitnehmer „die Probezeit nicht bestanden habe“ oder „eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht im Interesse des Arbeitgebers“ liege (BAG a.a.O.).

Weiterführende Links

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