Druckkündigung

Urteil zur Änderungskündigungsschutzklage

Nicht immer geht der Anstoß für eine Kündigung eines Arbeitsverhältnisses mit einem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber aus. Verlangen Mitarbeiter oder Kunden die Entlassung, spricht man von einer Druckkündigung.

Die Besprechung einer erfolgreichen Kündigungsschutzklage übernimmt unser Fachanwalt für Arbeitsrecht und Medizinrecht Kai Höppner.

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Fachanwalt
Kai Höppner

Datum

12.12.2023

Aktenzeichen

7 Sa 61/23

Gericht

LAG Nürnberg

Einordnung der Druckkündigung

Beruht das Verlangen zur Kündigung auf einem Verhalten (siehe auch verhaltensbedingte Kündigung) oder einem personenbedingten Grund (siehe auch krankheitsbedingte Kündigung), das oder der zur Kündigung berechtigt, liegt eine sog. unechte Druckkündigung vor. Der von dritter Seite ausgeübte Druck ist dann nur äußerer Anlass für eine an sich gerechtfertigte Kündigung. 

Fehlt es an einem dem Arbeitnehmer zurechenbaren Kündigungsgrund, kann das Arbeitsverhältnis unter bestimmten Voraussetzungen gleichwohl gekündigt werden, nämlich aus betriebsbedingten Gründen (sog. echte Druckkündigung, siehe auch betriebsbedingte Kündigung).

Zuvor muss sich der Arbeitgeber schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer gestellt und durch umfassende Aufklärung und organisatorische Maßnahmen alles Möglichen und Zumutbare versucht haben, um die Drohung zu beseitigen

Die Druckkündigung ist in zwei Varianten denkbar, einer unechten und einer echten Druckkündigung. 

Der Sachverhalt

Die Klägerin, eine 52jährige Chemielaborantin, war seit knapp 5 Jahren in einem Betriebsteil mit 55 Mitarbeitern beschäftigt. Die Beklagte stellte an mehreren Standorten chemische Erzeugnisse her, die Klägerin war 2005 aus einem Erziehungsurlaub zurückgekehrt.

Seitdem kam es wiederholt zu Teamkonflikten, die bis Oktober 2021 Arbeitsunfähigkeit der Klägerin nach sich zogen. Diagnostiziert wurde u.a. eine massive Burn-Out-Symptomatik.

Als bekannt wurde, dass die Klägerin beabsichtige, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren, wurde der Arbeitgeber seitens der Belegschaft aufgefordert, eine andere Lösung zu suchen, da ein Vertrauensverhältnis zwischen der Klägerin und den anderen Mitarbeitern nicht mehr bestehe.

Schon 2019 sei eine Lösung des Problems versprochen worden. Einige Mitarbeiter gaben persönliche Stellungnahmen ab. Darin wurde von psychischem Druck und Manipulationen der Klägerin berichtet. An einer von dem Arbeitgeber veranlassten Mitarbeiterbefragung nahmen 6 von 10 Mitarbeitern aus der Abteilung der Klägerin teil, ebenso 2 Mitarbeiter aus einem angrenzenden Bereich.

Übereinstimmend wurde die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Klägerin ausgeschlossen, vereinzelt die Möglichkeit eines Arbeitsplatzwechsels in Aussicht und die Kommunikation mit der Klägerin unter Vorbehalt gestellt sowie mit deutlicher Zunahme von krankheitsbedingten Fehlzeiten und letztlich auch mit Kündigungen gedroht.

Zur Vermeidung absehbarer Mitarbeiterfluktuation und Abteilungsschließung mit wirtschaftlichen Folgen sprach der Arbeitgeber eine Änderungskündigung aus und versetzte die Klägerin bei ansonsten gleichen Bedingungen an einen anderen Standort. Die damit verbundene Verlängerung der Fahrtstrecke mit dem PKW von 10 km auf 90 km und der Fahrzeit von 25 Minuten auf 70 Minuten lehnte die Klägerin ab und erhob Änderungskündigungsschutzklage.

Das Urteil des LAG Nürnberg

Dieser Änderungskündigungsschutzklage gab das LAG statt und führte u.a. aus:

Um sich schützend vor den Arbeitnehmer zu stellen, reiche es nach der Rechtsprechung des BAG nicht aus, dass der Arbeitgeber überhaupt Gespräche mit den die Drohung aussprechenden Arbeitnehmern führe und die Moderation von gemeinsamen Beratungen zwischen diesen und dem betroffenen Arbeitnehmer anbiete. Er müsse vielmehr argumentativ gegenüber den Mitarbeitern deutlich machen, dass aus seiner Sicht ein objektiver Anlass einer Kündigung nicht bestehe.

Das LAG verneinte ein „hinreichendes aktives Tun“ des Arbeitgebers in diesem Sinne, insbesondere vermisste es den Hinweis des Arbeitgebers an die Mitarbeiter, dass es keinen Grund für eine Kündigung der Klägerin und Lösung der zwischenmenschlichen Kommunikation auf diese Weise gäbe.

Die Mitarbeiterbefragung und deren Ergebnis sei lediglich das seitens der Beklagten angestrebte Ziel, mit dem Befragungsergebnis den Kündigungsgrund zu haben, der bis dahin nicht ersichtlich gewesen sei.

Eine „argumentative Verdeutlichung“, dass für die Beklagte ein Kündigungsgrund nicht vorläge, habe nicht stattgefunden.

Die Voraussetzungen einer unechten Druckkündigung liegen sehr hoch. Häufig dürfte sich für Arbeitgeber eher eine professionelle Mediation anbieten.

Unser Fazit

Die Voraussetzungen einer unechten Druckkündigung liegen sehr hoch. Ihr ist mit Vorsicht zu begegnen. Der Arbeitgeber hat in dreifacher Hinsicht die Darlegungs- und Beweislast:

  • Zum einen hinsichtlich aller möglichen und zumutbaren Sachaufklärung und Organisation,
  • zum anderen hinsichtlich der „argumentativen Verdeutlichung“ des Fehlens eines objektiven Kündigungsgrundes.
  • Letztlich aber auch hinsichtlich der Schwere des Schadensrisikos.

An Stelle einer Kündigung dürfte sich eher eine professionelle Mediation anbieten.

Weiterführende Links

An dieser Stelle finden Sie das besprochene Urteil sowie weiterführende Links zu Rechtstexten.

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