LAG München vom 20.08.2025, Aktenzeichen: 10 SLa 2/25

Sonderkündigungsschutz für Wahlinitiator in der Probezeit?

Darf ein Arbeitgeber einen Mitarbeiter kündigen, der mitten in der Probezeit die Gründung eines Betriebsrats vorbereitet? Und genießt ein solcher „Vorfeld-Initiator“ bereits besonderen Kündigungsschutz?

Mit diesen Fragen befasste sich das Landesarbeitsgericht (LAG) München in seinem Urteil vom 20.08.2025 (Az.: 10 SLa 2/25) und hob damit das Urteil der Vorinstanz auf.

Die Urteilsbesprechung übernimmt unser Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht, Christian Wieneke-Spohler.

Portrait von Christian Wieneke-Spohler, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt
Christian Wieneke-Spohler

Datum

20.08.2025

Aktenzeichen

10 SLa 2/25

Gericht

LAG München

Einordnung

„Wahliniatoren“ – das sind Arbeitnehmer, die mit Blick auf die Gründung eines Betriebsrats zu einer Betriebsversammlung für die Wahl des Wahlvorstandes einladen oder die Bestellung des Wahlvorstands beantragt haben – genießen nach § 15 Absatz 3 a Kündigungsschutzgesetz Sonderkündigungsschutz.

In Ihrem Fall ist eine ordentliche Kündigung grundsätzlich ausgeschlossen. Der Gesetzgeber hat den Kreis der solchermaßen geschützten Initiatoren einer erstmaligen Betriebsratswahl durch § 15 Abs. 3 b Kündigungsschutzgesetz, erweitert und darin ein weites Verständnis des Begriffes der Vorbereitungshandlung zum Ausdruck gebracht (LAG, Köln, Urteil vom 18.01.2024 – 7GLa. 2/24).

Danach gilt jedes für Dritte erkennbare Verhalten, das der Errichtung eines Betriebsrats dient, als schutzwürdige Vorbereitungshandlung.

Die zeitnahe Geltendmachung des Sonderkündigungsschutzes ist unerlässlich – wird der Arbeitgeber nicht innerhalb von drei Wochen, spätestens drei Monaten informiert, droht Verwirkung.

Der Sachverhalt

Von diesem Recht hatte ein seit dem 07.03.2024 bei der Beklagten beschäftigter Sicherheitsmitarbeiter Gebrauch gemacht.

Mit einer notariellen „Erklärung gemäß § 15 Absatz 3 b“ Kündigungsschutzgesetz vom 13.3.2024 unterrichtete er am 20.03.2024 die Beklagte von seiner Absicht der Errichtung eines Betriebsrats und bat um ein Verzeichnis der Wahlberechtigten.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis daraufhin mit Schreiben vom 21.03.2024 fristgemäß zum 28.03.2024.

Mit seiner Kündigungsschutzklage berief sich der Kläger auf einen Verstoß gegen das gesetzliche Verbot der Behinderung der Betriebsratswahl gemäß § 20 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz. Er machte zudem den besonderen Kündigungsschutz für Initiatoren einer Betriebsratswahl im Sinne des § 15 Absatz 3 b Kündigungsschutzgesetz geltend.

Die Beklagte wandte ein, der Kündigungsgrund liege nicht in der Person oder in dem Verhalten des Klägers, sondern in dessen mangelnder Eignung.

Das Urteil

Das Arbeitsgericht gab dem Kläger Recht. Nach seinem – formalen – Verständnis genügten für den Kündigungsschutz die beiden Voraussetzungen Vorbereitungshandlung sowie die notariell beglaubigte Erklärung mit dem Inhalt der Absicht, einen Betriebsrat zu errichten.

Das LAG München ging im Wege neuerer Gesetzesauslegung darüber hinaus und vertrat die Ansicht, dass der besondere Kündigungsschutz des § 15 Absatz 3 b Kündigungsschutzgesetz während der 6-monatigen Wartezeit des § 1 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung finde. Die Vorschrift komme erst nach sechsmonatiger Betriebszugehörigkeit zur Geltung.

Zudem sei der Schutz im konkreten Fall verwirkt, da der Kläger die Beklagte nicht innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung, jedenfalls aber nicht innerhalb von drei Monaten nach Abgabe der öffentlich beglaubigten Absichtserklärung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 Absatz 3 b Kündigungsschutzgesetz informiert habe.

Das LAG hat die Revision wegen der noch nicht entschiedenen Rechtsfragen einer Geltung nach § 15 Absatz 3 b Kündigungsschutzgesetz in der Probezeit und der Frage der Verwirkung des Rechts, sich auf den Sonderkündigungsrecht zu berufen, zugelassen.

§ 15 Abs. 3b KSchG entfaltet nach der Auslegung des LAG München keine Schutzwirkung innerhalb der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG.

Unser Fazit

Wird das Urteil des LAG München rechtskräftig oder vom BAG bestätigt, haben es sog. Betriebsratsgründungs-Hopper schwer. Gemeint sind damit Arbeitnehmer, die zu Vorbereitungshandlungen im Zusammenhang mit einer Betriebsratswahl greifen, um einer drohenden Kündigung zu entgehen.

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