Erschütterung des Beweiswerts einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung
LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 01.07.2021 (5 Sa 1573/20)- Zur Altersdiskriminierung bei Stellenausschreibungen
Bei einer Stellenausschreibungen hat der Arbeitgebergesetzliche Vorgaben, insbesondere die das AllgemeinenGleichbehandlungsgesetzes (AGG) zu beachten. Das Gesetz verbietetUngleichbehandlungen, die wegen eines bestimmten in § 1 AGG aufgezählten(verpönten“) Merkmals erfolgen. Zentrale Bedeutung hat dabei das Verbot derAltersdiskriminierung. Die Nennung eines „Wunschalters“ ist deshalb in derRegel riskant und führt nicht selten zur Geltendmachung vonEntschädigungsansprüchen durch einen abgelehnten Bewerber, so auch in einemjüngst vom LAG Berlin-Brandenburg entschiedenen Fall (LAG Berlin-Brandenburg,Urteil vom 1.7.2021 – 5 Sa 1573/20).
In der Stellenausschreibung seien keine altersbezogenenBesetzungskriterien oder Wünsche formuliert worden. Die Erwähnung des Begriffspaares„junges Team“ werde dadurch relativiert, dass diese Angabe nicht in demZusammenhang stehe mit „Wir suchen“. Die Beklagte werde an herausragenderStelle als Berliner „Start-up„ bezeichnet, weshalb dieses Begriffspaar im Sinnevon junges, also neugegründetes Unternehmen zu verstehen sei. Die Angaben überdas Alter des Unternehmens sagten nichts über das Alter der dort Beschäftigtenaus. Hinzu käme, dass unter der Rubrik „wir bieten“ keine Erwartungen an dieBewerber beschrieben würden. Geforderte „erste Erfahrungen im BereichAccountmanagement oder Vertrieb“ gäben ebenso keinen Hinweis auf junges Alter,sondern stellten auf eine Eigenschaft ab, die eher lebensältere Bewerberaufwiesen. Schließlich werde mit der Bezeichnung „(Junior) Key-Account Manager“lediglich eine unternehmensinterne Hierarchieebene gekennzeichnet.
Ergänzend betonte es, dass durchschnittliche Bewerber*innendie im weiteren Text enthaltene Aussage, die Beklagte biete ein „junges Teammit flachen Hierarchien, das dir einen echten Gestaltungsspielraum lässt“, alsHinweis darauf verstehen müssten, dass sie in einer erst seit kurzembestehenden Belegschaft mit wenigen vorgesetzten Personen einen eigenenGestaltungsspielraum bei der Mitarbeit an neuen Produkten, deren Vermarktungund neuen Wachstumsstrategien, haben. Bei diesem Verständnis sei die fraglichePassage im vorliegenden Kontext nicht als überflüssig anzusehen, sondern habeden Aussagegehalt, dass Bewerber*innen nicht auf eine schon eingespielte, seitlangem bestehende, sondern eine erst seit kurzem zusammenarbeitende Belegschafttreffe, die der sich bewerbenden Person besondere Spielräume bei der Mitarbeitin dem aufstrebenden Unternehmen der Beklagten böte und nicht, dass dieZusammenarbeit mit jungen Menschen erwartet werden könne. Der Hinweis aufflache Hierarchien und einen „echten Gestaltungsspielraum“ bekräftige, dasskeine Aussage über die einzelnen Belegschaftsmitglieder, sondern über dieBelegschaft in Ihrer Gesamtheit, gemacht wird. Auch die durchgehende Verwendungder zweiten Person („dir, deine“) enthalte keinen Hinweis darauf, dassjugendliche Personen angesprochen würden, sondern heutzutage eine in vielengroßen Unternehmen übliche Art und Weise des vom Alter unabhängigen Ansprechensvon Mitarbeitern. Die Verwendung des Wortes „Junior“ in der Stellenbeschreibunghabe ebenfalls keinen Bezug zum Lebensalter, sondern zur Stellung in derHierarchie des Unternehmens.
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