Bundesarbeitsgericht vom 16. April 2025, Aktenzeichen 10 AZR 80/24
Die Kryptowährung Ether (ETH) als Provision
Das BAG hat am 16.04.2025 (10 AZR 80/24) eine richtungsweisende Entscheidung zur Vergütung von Arbeitsleistungen in Kryptowährungen getroffen.
Im Mittelpunkt stand die Frage, unter welchen Voraussetzungen Kryptowährungen als Sachbezug gemäß § 107 GewO qualifiziert werden können und wie weit die Auszahlung des unpfändbaren Teils des Arbeitsentgelts in Geld gesetzlich erforderlich ist.
Das Urteil bespricht für Sie unser Fachanwalt für Arbeitsrecht und Medizinrecht, Kai Höppner.

Kai Höppner
Datum
16.04.2025
Aktenzeichen
10 AZR 80/24
Gericht
Bundesarbeitsgericht (BAG)
Einordnung
Im Mittelpunkt der Entscheidung steht die Anwendung von § 107 GewO in Verbindung mit den §§ 850 ff. ZPO. Nach § 107 Abs. 1 GewO ist Arbeitsentgelt grundsätzlich in Euro zu leisten.
Abs. 2 eröffnet jedoch die Möglichkeit, Sachbezüge als Teil des Arbeitsentgelts zu vereinbaren, wenn dies im objektiven Interesse der Arbeitnehmenden liegt oder durch die Eigenart des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt ist.
Diese Regelung wird durch Satz 5 des Absatzes 2 eingeschränkt: Der unpfändbare Teil des Arbeitsentgelts muss stets in Geld gewährt werden, um sicherzustellen, dass grundlegende Lebenshaltungskosten ohne Umwege gedeckt werden können.
Das BAG stellt klar, dass Kryptowährungen – mangels gesetzlicher Anerkennung als Geld – nur als Sachbezüge verstanden werden können. Die Besonderheit liegt in ihrer Teilbarkeit und Volatilität, was bei der arbeitsrechtlichen Gestaltung besondere Sorgfalt erfordert.
Ein Verstoß gegen § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO führt gemäß § 134 BGB zur teilweisen Nichtigkeit der Vergütungsvereinbarung – mit der Folge, dass der unpfändbare Teil nicht in Kryptowährung, sondern in Euro auszuzahlen ist.
Die Umrechnung und Berechnungspflichten müssen auf der Basis der §§ 850 bis 850e ZPO sachgerecht erfolgen.
Der Sachverhalt
Die Klägerin war zunächst als Werkstudentin und später in Vollzeit bei der Beklagten tätig. Für den Zeitraum bis März 2020 war eine zusätzliche Provisionsvergütung vereinbart, die in der Kryptowährung Ether (ETH) ausgezahlt werden sollte. Die Klägerin vermittelte regelmäßig Geschäftsabschlüsse, aus denen sie entsprechende Provisionen beanspruchte, die zunächst in Euro zu berechnen und dann in ETH umzurechnen waren.
Während des Arbeitsverhältnisses kam es zu keiner Übertragung von ETH. Erst mit der letzten Gehaltsabrechnung im Dezember 2021 zahlte die Beklagte einen Bruttobetrag von 15.166,16 EUR aus, den die Klägerin teilweise bei der Klageforderung berücksichtigte. Sie verlangte letztlich noch 19,194 ETH für die Monate Februar und März 2020.
Die Beklagte wies die Forderung zurück und verwies auf die Pflicht zur Auszahlung in Euro, die Volatilität des ETH-Kurses sowie die angeblich erfolgte Erfüllung in Geld. Zudem berief sich die Beklagte auf eine Verletzung der Pfändungsgrenzen.
Das Urteil
Das Bundesarbeitsgericht bestätigt grundsätzlich den Anspruch der Klägerin auf Provisionen in Kryptowährung.
Der Zehnte Senat stellt klar: Eine Vergütung in Kryptowährung ist als Sachbezug im Sinne von § 107 Abs. 2 Satz 1 GewO zulässig, sofern sie objektiv im Interesse der Arbeitnehmenden liegt – was im vorliegenden Fall aufgrund der Einbindung in die Krypto-Branche bejaht wird.
Allerdings habe das Landesarbeitsgericht bei der Prüfung von § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO Fehler gemacht. Die Berechnung des pfändbaren Einkommens sei nicht vollständig gesetzeskonform erfolgt, insbesondere wurden nicht alle steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Abzüge vollständig festgestellt.
Damit fehlte es an einer soliden Berechnungsgrundlage, um zu klären, ob der in ETH vereinbarte Teil des Arbeitsentgelts die Pfändungsfreigrenzen überschreitet oder nicht.
Ein wichtiger Hinweis des BAG betrifft auch die Rechtsfolge bei teilbarem Sachbezug: Ein Verstoß gegen die Begrenzung nach § 107 Abs. 2 Satz 5 GewO führt nicht zur Gesamtnichtigkeit der Vergütungsabrede, sondern nur zur teilweisen Unwirksamkeit – also einer Kürzung auf das zulässige Maß.
Diese Korrektur sei vorzunehmen, unabhängig davon, ob die Beklagte sich auf die Unwirksamkeit beruft, da die Nichtigkeit von Amts wegen zu prüfen ist.
Die Sache wurde vom BAG an das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (Urteil vom 10. April 2024, Aktenzeichen 19 Sa 29/23) zurückverwiesen – mit klaren Anweisungen für die erneute Prüfung.
Unser Fazit
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts schafft einen wichtigen Präzedenzfall für die arbeitsrechtliche Behandlung von Kryptowährungen. Es bestätigt die grundsätzliche Zulässigkeit von Kryptowährungen als Sachbezug – unter der Bedingung, dass die gesetzlichen Pfändungsschutzvorschriften gewahrt bleiben.
Für Arbeitgebende bedeutet dies: Die Vergütung in Kryptowährung muss mit einem in Geld auszuzahlenden unpfändbaren Grundbetrag kombiniert werden, und die Umrechnungsmechanismen müssen rechtssicher festgelegt werden.
Für Arbeitnehmende stärkt das Urteil die Durchsetzbarkeit vertraglich zugesagter alternativer Vergütungsformen – gleichzeitig wird auch die Sensibilität für deren rechtliche Ausgestaltung betont.
Betriebsräte und HR-Abteilungen sind gehalten, solche Modelle mit größter Sorgfalt zu prüfen, um Rechtsnachteile zu vermeiden.
Weiterführende Links
An dieser Stelle finden Sie das besprochene Urteil sowie weiterführende Links zu Rechtstexten.
- BAG-Urteil vom 16. April 2025, Az: 10 AZR 80/24
- LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 10. April 2024, Az: 19 Sa 29/23
- § 107 GewO: Berechnung und Auszahlung des Arbeitsentgelts; Sachbezüge
- § 134 BGB: Nichtigkeit wegen Gesetzesverstoß
- § 313 BGB: Störung der Geschäftsgrundlage
- §§ 850, 850c, 850e ZPO: Pfändungsschutz, Berechnung des pfändbaren Einkommens
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