BAG-Urteil vom 23.10.2024, Aktenzeichen 5 AZR 82/24

Angestellter klagt auf Mindestabstand zum Tariflohn

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschied am 23.10.2024 (Az.: 5 AZR 82/24) über die Klage eines Entwicklungsingenieurs. Dieser forderte weitere Vergütung aufgrund eines nach dessen Auffassung zu geringem Abstands seines Entgelts zur höchsten tariflichen Entgeltgruppe.

Die Urteilsbesprechung übernimmt unser Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht und Medizinrecht, Kai Höppner.

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Fachanwalt
Kai Höppner

Datum

23.10.2024

Aktenzeichen

5 AZR 82/24

Gericht

Bundesarbeitsgericht

Einordnung

Vielen Arbeitnehmern erscheint die Beschäftigung als außertariflicher (AT-) Angestellter angesichts der besonderen Stellung, besserer Bezahlung und größeren Gestaltungsspielraums lukrativ. Ihre rechtliche Absicherung ist allerdings problematisch, da eine umfassende gesetzliche Regelung fehlt. Der Schwerpunkt liegt deshalb in der Vertragsfreiheit der Parteien.

Hier sollte ein besonderes Augenmerk auf dem sogenannten Abstandsgebot liegen, inwieweit also das Entgelt des AT-Angestellten das Tarifgehalt der höchsten Entgeltstufe übersteigt. Verhängnisvoll wäre die Annahme, der Abstand entspreche automatisch dem prozentualen Abstand zwischen den Tarifgruppen.

Diesem Irrtum unterlag der Kläger in dem vom BAG am 23.10.2024 entschiedenen Fall.

Die Parteien stritten über weitere Vergütung unter dem Gesichtspunkt eines nach Auffassung des Klägers zu geringem Abstand seines Entgelts zur höchsten tariflichen Entgeltgruppe.

Der Sachverhalt

Der Kläger war Mitglied der IG Metall und seit 2013 bei der Beklagten beschäftigt, seit Juni 2022 als Entwicklungsingenieur auf der Grundlage eines als „außertariflich“ bezeichneten Arbeitsvertrags.

Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden erhielt er im streitigen Zeitraum monatlich 8.212 € brutto, während das Entgelt in der höchsten tariflichen Entgeltgruppe 8.210,64 € brutto betrug.

Die Beklagte war tarifgebunden und wendete in ihrem Betrieb die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie NRW an, darunter den Manteltarifvertrag (MTV) und das Entgelt-Rahmenabkommen.

Von deren persönlichen Geltungsbereich waren unter anderem Beschäftigte ausgenommen, deren Arbeitsaufgaben, wie beim Kläger, eine tariflich näher bestimmte Einstufung übersteigen und bei denen die geldwerten materiellen Arbeitsbedingungen diejenigen der höchsten tariflichen Entgeltgruppe regelmäßig überschreiten.

Den Abstand von nur 1,36 € brutto zum obersten Tariflohn wollte der Kläger nicht gelten lassen. Sein außertarifliches Gehalt müsse 23,45 % über dem Tariflohn – entsprechend der Differenz zwischen den einzelnen Tarifgruppen – liegen.

Somit stünden im monatlich weitere 1.924,03 € brutto zu.

Der Kläger blieb in allen Instanzen erfolglos.

Das BAG-Urteil

Der Kläger hätte mit Abschluss des als „außertariflich“ bezeichneten Arbeitsvertrags im Mai 2022 den Status eines außertariflichen Angestellten erhalten und damit einen vertraglichen Anspruch auf eine Vergütung, die ihn nicht in den persönlichen Geltungsbereich eines das Arbeitsverhältnis an sich erfassenden Tarifvertrages zurückfallen ließ und einen tarifvertraglich vorgesehenen Mindestabstand zur höchsten tariflichen Vergütung wahrte.

Mit dem vereinbarten Monatsgehalt von 8.212 € brutto habe der Kläger, wenn auch nur geringfügig, mehr erhalten, als das höchste Tarifentgelt vorsah.

Ein bestimmter prozentualer Mindestabstand der Vergütung beziehungsweise der geldwerten materiellen Arbeitsbedingungen des außertariflichen Angestellten zum höchsten Tarifentgelt war tariflich nicht geregelt. Damit genüge nach diesen Tarifnormen jedes – und damit auch ein geringfügiges – Überschreiten des höchsten Tarifentgeltes.

Das Erfordernis eines prozentualen Mindestabstands zum höchsten Tarifentgelt in das Wort „überschreiten“ hineinzuinterpretieren, verbiete sich aufgrund der von Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Tarifautonomie.

Ein Prozentsatz-Klausel hätte geholfen, das Gehalt dynamisch an die jeweilige höchste, tarifliche Entgeltgruppe anzupassen.

Unser Fazit

Der Kläger hatte es versäumt, dem in dem Wortlaut des Tarifvertrages liegenden Abstandsrisiko durch eine optimierende arbeitsvertragliche Abstandsklausel entgegenzuwirken. Hier hätte die Festlegung eines Prozentsatzes geholfen, um den sein Gehalt dynamisch die jeweilige höchste tarifliche Entgeltgruppe überschreite.

Weiterführende Links

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