LAG Köln vom 20.06.2024, Aktenzeichen 6 Sa 632/23
Diskriminierung älterer Bewerber
In einem spannenden Verfahren (LAG Köln vom 20. Juni 2024, Aktenzeichen 6 Sa 632/23) klagte ein 56-jähriger Bewerber auf Entschädigung wegen vermeintlicher Altersdiskriminierung, auch basierend auf der Formulierung „erste Führungserfahrung“.
Die Urteilsbesprechung übernimmt unser Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht, Christian Wieneke-Spohler.

Christian Wieneke-Spohler
Datum
20.06.2024
Aktenzeichen
6 Sa 632/23
Gericht
LAG Köln
Einordnung
Im Mittelpunkt des Verfahrens standen § 15 Abs. 2 AGG und § 22 AGG. Letzterer regelt die Beweislast bei Diskriminierungstatbeständen und stellt klar: Wer eine Benachteiligung behauptet, muss Indizien vorbringen, die eine solche vermuten lassen.
Liegen solche Indizien vor, kehrt sich die Beweislast um. Eine zentrale Rolle spielen auch § 3 AGG (mittelbare Benachteiligung) und § 7 AGG (Benachteiligungsverbot).
Der Sachverhalt
Ein 56-jähriger Bewerber hatte sich auf eine Position als Managementtrainer mit Vertriebsverantwortung beworben. In der Stellenausschreibung wurde unter anderem „Erste Erfahrung in Führungspositionen“ verlangt.
Nach zwei Wochen erhielt der Kläger eine Absage. Er forderte mehrfach eine Begründung für die Ablehnung, erhielt jedoch keine inhaltliche Rückmeldung.Als die
Stelle später erneut ausgeschrieben wurde, vermutete er eine gezielte Altersdiskriminierung. Aus der Formulierung „erste Führungserfahrung“ leitete er ab, dass ein Lebensalter von ca. 38 bis 42 Jahren vom Arbeitgeber bevorzugt werde.
Zudem hielt er seine Qualifikationen für vollständig passend. Daher führte der Kläger die ausbleibende Einladung zum Vorstellungsgespräch sowie die unterlassene Auskunft über Ablehnungsgründe als weitere Indizien an.
Die Beklagte wies den Vorwurf zurück und erklärte, die Stelle sei weiterhin unbesetzt. Man habe ein spezielles Coachingkonzept verfolgt und gezielt Bewerberinnen und Bewerber gesucht, die nicht durch vorherige Führungserfahrung bereits festgelegt seien.
Das Urteil
Das LAG Köln wies die Berufung zurück und bestätigte das arbeitsgerichtliche klagabweisende Urteil. Das Gericht stellte klar, dass keiner der vorgetragenen Punkte ein ausreichend starkes Indiz für eine altersbedingte Diskriminierung im Sinne von § 22 AGG darstelle.
Die Aussage „erste Führungserfahrung“ könne von Personen jeden Alters erfüllt werden. Es fehle jeglicher Bezug zu einem bestimmten Lebensalter, sodass auch jüngere oder ältere Personen gemeint sein könnten. Der Begriff enthalte kein verpöntes Differenzierungsmerkmal nach § 1 AGG.
Die vom Kläger angeführte „postwendende Absage“ wurde relativiert – zwei Wochen Bearbeitungszeit seien keineswegs ungewöhnlich. Auch die Nichtmitteilung von Ablehnungsgründen begründe kein Indiz, da außerhalb des öffentlichen Dienstes keine solche Verpflichtung besteht.
Die Berufungskammer stellte darüber hinaus fest, dass selbst eine vollständige Eignung keinen Anspruch auf Einstellung und auch kein Indiz für Diskriminierung begründet, da Arbeitgeber im Privatrecht grundsätzlich frei in ihrer Auswahlentscheidung sind – solange diese nicht auf einem verbotenen Merkmal beruhen.
Die gerichtliche Argumentation hob sich deutlich von der Logik der Konkurrentenklage im öffentlichen Dienst ab und wies auf die Unterschiede in den Anspruchsvoraussetzungen hin.
Selbst die Aussage des Arbeitgebervertreters in der mündlichen Verhandlung, wonach man Bewerberinnen und Bewerber suche, die „im Konzept aufwachsen“, wurde nicht als Altersdiskriminierung gewertet.
Das Gericht sah hierin keine versteckte Alterspräferenz, sondern einen legitimen Hinweis auf das angestrebte Entwicklungspotenzial innerhalb des Unternehmenskonzepts.
Unser Fazit
Das Urteil stärkt die Anforderungen an die Darlegungslast für Diskriminierungsklagen nach dem AGG.
Es wird deutlich, dass subjektiv empfundene Benachteiligungen objektiv begründet werden müssen und die bloße Ablehnung einer Bewerbung nicht notwendigerweise eine Diskriminierung vermuten lässt.
Arbeitgeber sind nicht verpflichtet, Ablehnungsgründe mitzuteilen, solange keine besonderen gesetzlichen Vorgaben (zum Beispiel im öffentlichen Dienst) bestehen.
Für Arbeitnehmende bedeutet dies, dass die Schwelle zur Darlegung diskriminierender Strukturen nach wie vor hoch liegt.
Arbeitgeber wiederum sind gut beraten, Stellenausschreibungen neutral zu formulieren – wobei die Formulierung „erste Führungserfahrung“ rechtlich unbedenklich ist.
Weiterführende Links
An dieser Stelle finden Sie das besprochene Urteil sowie weiterführende Links zu Rechtstexten und anderen Quellen, die im Zusammenhang für die eigene Lektüre hilfreich sein könnten.
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