BAG-Urteil (8 AZR 21/24) zum AGG-Hopping
Forderung nach Entschädigungszahlung nach AGG
Mit einem – fortentwickelten – „Geschäftsmodell [des AGG-Hoppings] in zweiter Generation“ hatte es das BAG im Urteil vom 19.9.2024 zu tun, nachdem die beiden Vorinstanzen das Vorgehen des Klägers als systematisch, ausschließend auf die Erlangung einer Entschädigung und damit als rechtsmissbräuchlich erkannt hatten.
Die Urteilsbesprechung übernimmt unser Arbeitsrecht-Fachanwalt aus Hamburg, Christian Wieneke-Spohler.
Datum
19.09.2024
Aktenzeichen
8 AZR 21/24
Gericht
Bundesarbeitsgericht (BAG)
Einordnung
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet die Diskriminierung von Beschäftigten, u.a. wegen des Geschlechts. Verstöße gegen das Benachteiligungsverbot kommen besonders häufig bei Stellenanzeigen vor. In der Folge können Entschädigungsansprüche nach § 15 Abs. 2 AGG entstehen. Trotz dieses Risikos lassen sich Unternehmen dazu verleiten, ihre Ausschreibungen geschlechtsspezifisch zu formulieren.
In der Vergangenheit hatten sich diverse Kläger mit systematisch betriebenen, auf Geschlechterdiskriminierung gestützte Entschädigungsklagen als „AGG–Hopper“ einen Namen gemacht.
Der Sachverhalt
Mit einem – fortentwickelten – „Geschäftsmodell in zweiter Generation“ hatte es das BAG im Urteil vom 19.9.2024 zu tun, nachdem die beiden Vorinstanzen das Vorgehen des Klägers als systematisch, ausschließend auf die Erlangung einer Entschädigung und damit als rechtsmissbräuchlich erkannt hatten.
Der ca. 30-jährige Kläger, gelernter Industriekaufmann mit Abitur, der ein Fernstudium zum Wirtschaftsjuristen absolvierte, hatte sich bereits bundesweit auf zahlreiche diskriminierend formulierte Stellenausschreibungen beworben und jeweils Entschädigungen geltend gemacht.
Im konkreten Fall bewarb er sich mit wörtlich gleichem Anschreiben auf eine 170 km entfernt liegende Stelle als „Bürokauffrau/Sekretärin“. Sein Bewerbungsschreiben enthielt nur lückenhafte Angaben zum Lebenslauf, keinerlei konkrete zeitliche Angaben, weder Nachweise zur Ausbildung/Lehre noch zu etwaigen Vorbeschäftigungen. Zudem war die Bewerbung von Rechtschreib- und Grammatikfehlern durchsetzt. Nähere Angaben zu geforderten Kenntnissen oder einschlägige Zeugnisse fehlten.
Damit bestand der Eindruck, dass der Kläger nach diversen Entschädigungsprozessen in der Vergangenheit und mit Blick auf ihm seitens der Gerichte vorgehaltenen Rechtsmissbrauchsmerkmale seine Bewerbungsunterlagen bewusst unvollständig und irrelevant gehalten hatte, um bei der Stellenbesetzung nicht berücksichtigt zu werden. Der Kläger erhielt denn auch keine Rückmeldung. Die Stellung wurde mit einer Frau besetzt, worauf der Kläger Entschädigungsklage erhob.
Das Urteil
Das LAG Hamm als Berufungsgericht und ihm folgend das BAG hielt dem Kläger den Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB entgegen (Aktenzeichen 6 Sa 896/23). Im Zusammenhang mit Entschädigungsansprüchen nach § 15 Abs. 2 AGG sei Rechtsmissbrauch anzunehmen, sofern eine Person sich nicht beworben habe, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern mit dem Ziel gehandelt habe, die Entschädigung als Lebensunterhalt geltend zu machen.
Die Indizien für den Rechtsmissbrauch ergäben sich in objektiver und subjektiver Hinsicht aus den vorbeschriebenen Mängeln. Hinzu komme, dass der Kläger Fehler in früheren Verfahren ersichtlich zum Anlass genommen habe, sein Bewerbungs- und Prozessverhalten entsprechend den gerichtlichen Hinweisen aus früheren Prozessen anzupassen. Der Kläger unterlag in allen Instanzen.
Unser Fazit
Zu begrüßen ist, dass die Rechtsprechung deutlich bemüht ist, rechtsmissbräuchlichen Bewerbungsprozessen und zweckentfremdeten Entschädigungsverlangen Einhalt zu gebieten. Zahlreiche Urteile zum „AGG-Shopping“ haben zu einem umfassenden Indizienkatalog der Rechtsprechung geführt, an dem der Rechtsmissbraucheinwand sorgfältig zu messen ist.
Das LAG Hamm formuliert, dass „an die Annahme des durchgreifenden Rechtsmissbrauchs“ hohe Anforderungen zu stellen sind. So waren etwa im vorliegenden Fall die weite Entfernung der Stelle zum Wohnort, Inhalt und Art der Bewerbung, Unvereinbarkeit des Studiums mit der Vollzeitstelle sowie die durch die Prozesshistorie belegte Entwicklung der Bewerbungsverfahren beachtlich.
Sie waren – neben weiteren Indizien – Ausdruck eines systematischen und zielgerichteten Vorgehens im Rahmen eines „Geschäftsmodells“.
Weiterführende Links
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