BAG-Urteil vom 05.12.2024, Aktenzeichen 8 AZR 370/20
Gleichstellung bei Überstundenzuschlägen für Teilzeitkräfte
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit seinem Urteil vom 05.12.2024 (Az. 8 AZR 370/20) die bisherige Praxis zur Überstundenvergütung für Teilzeitbeschäftigte grundlegend verändert.
Die Urteilsbesprechung übernimmt unser Fachanwalt für Arbeitsrecht und Medizinrecht aus Hamburg, Kai Höppner.
Datum
05.12.2024
Aktenzeichen
Az. 8 AZR 370/20
Gericht
Bundesarbeitsgericht
Einordnung
Nach bisheriger Rechtslage bestand für Teilzeitbeschäftigte ein Anspruch auf Überstundenzuschlag in der Regel nur, wenn die für Vollzeitbeschäftigte festgelegte Arbeitszeit von ihnen überschritten wurde. Eine bloße Überschreitung der vertraglich vereinbarten Teilzeit führte nicht zu einem Anspruch auf einen Überstundenzuschlag.
Dagegen klagte eine Pflegekraft, die in Teilzeit bei einem ambulanten Dialyseanbieter beschäftigt war. Der Tarifvertrag des Unternehmens enthält eine Regelung, die unabhängig von der individuellen Arbeitszeit für Überstundenzuschläge das Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten voraussetzt.
Der Sachverhalt
Die Klägerin, welche 40 % einer Vollzeitstelle ausfüllte, erhielt für ca. 129 geleistete Überstunden weder einen Zuschlag noch eine Zeitgutschrift. Sie rügte einerseits, dass die Regelung sie gegenüber „Vollzeitern“ benachteilige, und andererseits, dass sie als Frau diskriminiert werde, da das Unternehmen überwiegend weibliche Mitarbeiter in Teilzeit beschäftige.
Das Urteil
Vor dem BAG – wie zuvor schon in zweiter Instanz – hatte die Klägerin Erfolg und damit Anspruch auf Überstundenzuschläge wie für Vollzeitkräfte, also mit Geltung ab der ersten geleisteten Überstunde.
Die in Höhe eines Vierteljahresverdienstes nach § 15 Abs. 2 AGG beanspruchte Entschädigung wurde ihr hingegen lediglich in Höhe von 250 € zugesprochen.
Das BAG stellte fest, dass die tarifvertragliche Regelung insoweit wegen Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung von Teilzeitbeschäftigten unwirksam sei, als sie „bei Teilzeitbeschäftigung keine der Teilzeitquote entsprechende anteilige Absenkung der Grenze für die Gewährung eines Überstundenzuschlags vorsehe“.
Ein sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung sei nicht zu erkennen.
Die sich aus dem Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Teilzeit- und Beschäftigungsförderungsgesetz ergebende Unwirksamkeit der tarifvertraglichen Überstundenzuschlagsregelung führe zu einem Anspruch der Klägerin auf die eingeklagte weitere Zeitgutschrift.
Daneben sei ihr eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz zuzuerkennen. Denn durch die Anwendung der tarifvertraglichen Regelung habe die Klägerin auch eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts erfahren.
In der Gruppe der beim Beklagten in Teilzeit Beschäftigten, die der tarifvertraglichen Regelung unterfallen, seien zu mehr als 90 % Frauen vertreten.
Die zugesprochene Entschädigung sei erforderlich, aber auch ausreichend, um einerseits den der Klägerin durch die mittelbare Geschlechtsbenachteiligung entstandenen immateriellen Schaden auszugleichen und andererseits gegenüber dem Beklagten die gebotene abschreckende Wirkung zu entfalten.
Unser Fazit
Mit diesem wegweisenden Urteil verbessert sich die Rechtslage für Teilzeitbeschäftigte erheblich.
Sie dürfen bei Überstundenzuschlägen grundsätzlich nicht länger schlechter behandelt werden als Vollzeitbeschäftigte, es sei denn, die Ungleichbehandlung sei durch sachliche Gründe zwingend gerechtfertigt. Entsprechende Tarifvertragsregelungen sind damit überholt.
Folglich wird eine Vielzahl weiterer Beschäftigter Nachzahlungsansprüche geltend machen können, vorausgesetzt, tarifliche Ausschlussfristen stehen dem nicht entgegen
Weiterführende Links
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