BAG-Urteil im Kontext Impflicht, Corona und Pflegeeinrichtungen
Altenpflegerin klagt gegen Pflegeheim
Gibt es einen Anspruch auf Gehalt bei Verletzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht? Ob Pflegeeinrichtungen ungeimpfte Beschäftigte während der Coronapandemie ohne Vergütung freistellen durften, hat das BAG mit Urteil vom 16.06.2024 nun entschieden.
Von Fachanwalt für Arbeitsrecht Christian Wieneke-Spohler.
Datum
16.06.2024
Aktenzeichen
5 AZR 192/23
Gericht
Bundesarbeitsgericht (BAG)
Einordnung
Im Frühjahr 2022 bestand für das Personal von Pflegeeinrichtungen gemäß § 20 a Abs. 1 IfSG a.F. die Pflicht, sich gegen das Coronavirus SARS-Cov2 impfen zu lassen.
Der Sachverhalt
Die Klägerin war seit 2007 als Altenpflegerin in dem von der Beklagten betriebenen Altenpflegeheim beschäftigt. Die Beklagte stellte sie ab Mitte März 2022 unbezahlt frei. Seinerzeit – im Frühjahr 2022 – bestand für das Personal derartiger Einrichtungen gemäß § 20 a Abs. 1 IfSG a.F. die Pflicht, sich gegen das Coronavirus SARS-Cov2 impfen zu lassen.
Die Klägerin verweigerte die Impfung und konnte somit nicht den geforderten Nachweis erbringen. Sie legte keinen Genesenennachweis vor und ebenso wenig ein ärztliches Attest über etwaige Impfunverträglichkeit. Die Beklagte reagierte mit einer Abmahnung und unbezahlter Freistellung, ungeachtet dessen, dass die Klägerin im Freistellungszeitraum an Corona erkrankte.
Die Klägerin verlangte die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte und das BAG gab ihr insoweit recht. Denn die Verweigerung einer Impfung sei keine Pflichtverletzung, sondern vom Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit gedeckt.
Gegen die unbezahlte Freistellung verwahrte sich die Klägerin mit der Begründung, sie habe bis zu einer Untersagung durch die zuständige Behörde auch ohne Impfung gegen das Coronavirus weiterarbeiten dürfen. Das sah das aber BAG anders.
Tipp!
In einer weiteren Entscheidung hat das BAG die anteilige Urlaubskürzung in Folge Freistellung wegen Impfverweigerung für rechtens erkannt (BAG vom 19.06.2024 – 5 AZR 167/23)
Das Urteil
Das Gericht stellte auf den aus der Gesetzesbegründung herzuleitenden Zweck der Regelung ab. Dieser richtete sich darauf, vulnerable Bewohner von Pflegeeinrichtungen und Patienten von Krankenhäusern vor einer Infektion zu schützen und die Funktionsfähigkeit der Einrichtungen zu sichern.
Dieser Zweck werde zwar durch förmliche Untersagungsakte der zuständigen Behörden erreicht, müsse aber auch die Einrichtungen selbst einbeziehen, insbesondere dann, wenn die Gesundheitsämter – wie zu jener Zeit – wegen Überlastung zur zeitnahen Umsetzung der erforderlichen Schutzmaßnahmen nicht in der Lage waren. Deshalb durften sich die Arbeitgeber im Rahmen ihres gesetzlichen Weisungsrechts die Impfnachweise ihrer Beschäftigten vorlegen lassen.
Auch die gesetzliche Lohnfortzahlung wegen der Erkrankung während des Freistellungszeitraums gestand das BAG der Klägerin nicht zu, da es an der sog. Monokausalität fehle. Eine Entgeltfortzahlung gibt es vom Arbeitgeber nur, wenn die Krankheit der einzige Grund für die unterbliebene Arbeitsleistung ist.
Weiterführende Links
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