Unfall mit Firmenwagen

Urteil des LAG Niedersachsen (2 Sa 642/23​)

Entsteht durch ein schuldhaft pflichtwidriges Verhalten des Arbeitnehmers ein Schaden, hat er diesen zu ersetzen. Es gibt aber Ausnahmen wie beispielsweise das betrieblich veranlasste Handeln.

Die Urteilsbesprechung übernimmt für Sie Christian Wieneke-Spohler, Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Portrait von Christian Wieneke-Spohler, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt
Christian Wieneke-Spohler

Datum

10.04.2024

Aktenzeichen

2 Sa 642/23

Gericht

LAG Niedersachsen

Einordnung

Auch im Arbeitsrecht gilt der Grundsatz: Entsteht durch ein schuldhaft pflichtwidriges Verhalten des Arbeitnehmers ein Schaden, hat er diesen zu ersetzen. Bei betrieblich veranlasstem Handeln kann sich der Arbeitnehmer hingegen auf eine Haftungsbeschränkung berufen. Diese kam dem Kläger in dem vom LAG Niedersachsen entschiedenen Fall zugute:

Bei betrieblich veranlasstem Handeln gibt es für Arbeitnehmer Haftungsbeschränkungen.

Der Sachverhalt

Das zu Grunde liegende Arbeitsverhältnis hatte vom 01.02.2022 bis zum 31.01.2023 bestanden. Der Kläger verdiente 2.700 € brutto. Ihm war ein Firmenfahrzeug mit einer Vollkasko Versicherung überlassen worden. Auf dem Betriebsgelände des beklagten Arbeitgebers kam es zu einem Unfall, indem der Kläger beim Zurücksetzen auf den dort abgestellten, bereits abgemeldeten BMW des Geschäftsführers der Beklagten auffuhr. Der Schaden betrug 2.315,06 €.

Das Urteil

Das LAG Niedersachsen hatte zu entscheiden, ob und in welchem Umfang der Kläger für diesen Schaden aufzukommen habe. Es hielt eine Beteiligung des Klägers in Höhe von 2/3 des Schadens für angemessen und berief sich dabei auf die Grundsätze der sog. privilegierten Arbeitnehmerhaftung. Diese setzt ein betrieblich veranlasstes Handeln voraus.

Betrieblich veranlasst sind solche Tätigkeiten des Arbeitnehmers, die ihm arbeitsvertraglich übertragen worden sind oder die er im Interesse des Arbeitgebers für den Betrieb ausführt. Die Tätigkeit muss in nahem Zusammenhang mit dem Betrieb und seinem betrieblichen Wirkungskreis stehen.

Diese Voraussetzung bejahte das LAG. Die Haftungsquote ermittelte es nach dem Prinzip der „Dreiteilung des Verschuldens“Danach hat ein Arbeitnehmer vorsätzlich verursachte Schäden in vollem Umfang zu tragen, bei leichtester Fahrlässigkeit haftet er dagegen nicht.

  • Leichteste Fahrlässigkeit ist bei einem typischen Abirren, einem „sich vergreifen“ oder „sich vertun“ anzunehmen. Gemeint sind Fälle des am Rande des Verschuldens liegenden Versehens.
  • Mittlere Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat und der missbilligte Erfolg bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt vorhersehbar und vermeidbar gewesen wäre.
  • Grobfahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maß verletzt und unbeachtet lässt, was konkret jedem hätte einleuchten müssen.

Der Umfang der Beteiligung des Arbeitnehmers an den Schadensfolgen ist durch eine Abwägung der Gesamtumstände zu bestimmen, wobei insbesondere Schadensanlass, Schadensfolgen, Billigkeits- und Zumutbarkeitsgesichtspunkte einer Rolle spielen.

Eine möglicherweise vorliegende Gefahrgeneigtheit der Arbeit ist ebenso zu berücksichtigen wie die Schadenshöhe, ein vom Arbeitgeber einkalkuliertes Risiko, eine Risikodeckung durch eine Versicherung, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und die Höhe der Vergütung, die möglicherweise eine Risikoprämie enthält.

Auch die persönlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers und die Umstände des Arbeitsverhältnisses sowie die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Familienverhältnisse und sein bisheriges Verhalten können zu berücksichtigen sein.

Bei der Ermittlung der Haftungsquote stellte das LAG im vorliegenden Fall ab auf die nicht allzu lange Betriebszugehörigkeit, die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb und seine Vergütung. Weitere persönliche Umstände habe der Kläger nicht vorgetragen. Da der PKW des Geschäftsführers geparkt war, sei auch keine Betriebsgefahr des BMW anzurechnen gewesen.

Der Umfang der Beteiligung des Arbeitnehmers an den Schadensfolgen ist durch eine Abwägung der Gesamtumstände zu bestimmen.

Ergänzender Hinweis

Das LAG hat in dem beurteilten Sachverhalt eine „besondere Fallkonstellation der Außenhaftung“ gesehen, weil das geschädigte Fahrzeug dem Geschäftsführer der Beklagten gehört habe, „welcher außerhalb des Arbeitsverhältnisses steht“. Im Grundsatz gelte, dass die Einschränkungen der Arbeitnehmerhaftung gegenüber dem Arbeitgeber auf spezifisch arbeitsrechtlichen Erwägungen beruhen.

Im vorliegenden Fall sei es aber gerechtfertigt, die Grundsätze der Haftungsprivilegierung zu Gunsten des Arbeitnehmers anzuwenden, weil der Geschädigte in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Beklagten eine arbeitgeberähnliche Position besitze.

Weiterführende Links

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