Aufhebungsvertrag und Urlaubsabgeltungsanspruch

Urlaubsanspruch, Verzicht, Tatsachenvergleich

Das LAG Köln befasste sich mit der Frage, ob ein Verzicht auf den Urlaubsabgeltungsanspruch in einem Aufhebungsvertrag wirksam ist. Besonders interessant: Wie verhält es sich, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich in einem sogenannten Tatsachenvergleich einigen?

Die Urteilsbesprechung übernimmt Kai Höppner, Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Portraitfoto von Kai Höppner, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Hamburg
Fachanwalt
Kai Höppner

Datum

11.04.2024

Aktenzeichen

7 Sa 516/23

Gericht

LAG Köln

Einordnung

Zahlreiche Arbeitsverhältnisse enden durch Aufhebungsvereinbarungen. Diese enthalten regelmäßig Urlaubsklauseln, u.a. sog. Abgeltungsverzichtklauseln. In einem bestehenden Arbeitsverhältnis ist der Urlaubsabgeltungsanspruch gem. § 13 Abs. 1 Satz 3 i. V. mit § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz unabdingbar und damit unverzichtbar. Entgegenstehe Regelungen sind deshalb grundsätzlich unzulässig, § 134 BGB.

Wird nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Urlaubsabgeltungsansprüche verzichtet, ist zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und vertraglich vereinbarten Mehrurlaub zu unterscheiden.

Auf den vertraglich vereinbarten Urlaub kann verzichtet werden. Besteht allerdings zwischen den Parteien Streit über die Anzahl genommener Urlaubstage, kann in einem sog. Tatsachenvergleich ein Verzicht wirksam vereinbart werden.

Einen Tatsachenvergleich setzt nach § 779 BGB voraus, dass eine bestehende Ungewissheit über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs durch gegenseitiges Nachgeben ausgeräumt werden soll.

Wird nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf Urlaubsabgeltungsansprüche verzichtet, ist zwischen dem gesetzlichen Mindesturlaub und vertraglich vereinbarten Mehrurlaub zu unterscheiden.

Der Sachverhalt

Der langjährig beschäftigte Kläger geriet Anfang 2023 in einen Rechtsstreit mit der Beklagten. Das Arbeitsverhältnis endete durch einen Prozessvergleich zum 30.4.2023. Bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses konnte der Kläger aufgrund fortbestehender Arbeitsunfähigkeit keinen Urlaub mehr nehmen. In der Vorkorrespondenz zum Vergleich hatten die Parteien thematisiert, dass auf den gesetzlichen Mindesturlaub nicht wirksam verzichtet werden könne. 

Formulierungsvorschlag des Klägers

„Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird die EG den gesetzlichen Mindesturlaub des Jahres 2023 von sieben Tagen mit 230,73 € brutto pro Urlaubstag abgelten, sofern er nicht von Herrn H in natura in Anspruch genommen wird. Im Übrigen besteht Einigkeit, dass der gesetzliche Mindesturlaub in den Vorjahren genommen wurde und die Abgeltung eines darüber hinausgehenden Urlaubsanspruchs nicht erfolgt“.

Ablehnung des Zahlungsanspruchs durch die Beklagte

Die Beklagte lehnte den Zahlungsanspruch mit folgenden Worten ab:

„Den weitergehenden Zahlungsforderungen ihres Auftraggebers wird unsere Mandantin vor dem Hintergrund des bereits sehr entgegenkommenden Angebots der Abfindungszahlung nicht nachkommen. Wir stellen hiermit klar, dass es über die bereits gemachten Zugeständnisse hinaus kein weiteres Entgegenkommen unserer Mandantin geben wird.… Sollte das nachfolgende Vergleichsangebot nicht angenommen werden, sehen wir die Einigungsversuche als gescheitert an.“

Abschließend protokollierter Vergleich zur Urlaubsregelung

In dem abschließend protokollierten Vergleich hieß es zur Urlaubsregelung:

„… Urlaubsansprüche sind in natura gewährt.“

Der Kläger machte erstinstanzlich Urlaubsabgeltung in Höhe von 1.615,14 € geltend. Er vertrat die Auffassung, auf den gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch als unabdingbaren Anspruch habe er im Rahmen des Vergleichs nicht verzichtet, so dass der Mindesturlaub im Umfang von sieben Tagen für das Jahr 2023 abzugelten sei.

Die Beklagte beharrte auf der Wirksamkeit des Vergleichs und meinte, dass ein Anspruchsverzicht über Urlaubsabgeltungsansprüche jedenfalls zulässig sei, soweit das bevorstehende Ende des Arbeitsverhältnisses verbindlich feststehe.

Sofern der Kläger trotz des geschlossenen Vergleichs Abgeltungsansprüche geltend mache, sei ihm jedenfalls der Einwand treuwidrigen, weil widersprüchlichen Verhaltens nach § 242 BGB entgegenzuhalten.

Es verstößt nicht grundsätzlich gegen Treu und Glauben, wenn eine Partei sich nachträglich auf die Unwirksamkeit einer von ihr abgegebenen Willenserklärung berufe.

Das Urteil

Das LAG verneinte in seiner Begründung einen Tatsachenvergleich im Sinne des § 779 BGB, da eine völlig unstreitige Forderung nicht Gegenstand eines solchen Vergleichs sein könne.

Vorliegend habe zwischen den Parteien zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses kein Streit über die Anzahl der wegen der anhaltenden Arbeitsunfähigkeit des Klägers im Jahre 2023 noch nicht gewährten und damit noch offenen Urlaubstage bestanden.

Der gesetzliche Schutzzweck des § 13 Abs. 1 Satz 3 Bundesurlaubsgesetz würde verfehlt, wenn der Anspruch auf Urlaub oder Urlaubsabgeltung während des Arbeitsverhältnisses durch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung der Parteien ausgeschlossen oder beschränkt werden könne.

Etwas anderes gelte auch dann nicht, wenn das bevorstehende Ende des Arbeitsverhältnisses mit dem Abschluss der einschränkenden Vereinbarung verbindlich feststehe.

Dem Kläger sei es auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit der Verzichtsvereinbarung zu berufen. Der Grundsatz von Treu und Glauben könne Vertragsparteien zwar unter dem Gesichtspunkt des Verbots widersprüchlichen Verhaltens daran hindern, sich mit eigenen früheren Erklärungen und eigenen früheren Verhalten in Widerspruch zu setzen. Dies sei regelmäßig jedoch nur dann der Fall, wenn ein schutzwürdiges Vertrauen in eine bestimmte Sach- oder Rechtslage geschaffen wurde. Es verstoße nicht grundsätzlich gegen Treu und Glauben, wenn eine Partei sich nachträglich auf die Unwirksamkeit einer von ihr abgegebenen Willenserklärung berufe.

Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hatte die Beklagte im Rahmen der Vergleichsverhandlungen darauf aufmerksam gemacht, dass auf den gesetzlichen Urlaubsanspruch nicht wirksam verzichtet werden könne und dass der Kläger diese Rechtsauffassung auch im Hinblick auf den beabsichtigten Vergleichsabschluss vertrete.

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Portrait von Christian Wieneke-Spohler, Fachanwalt für Arbeitsrecht
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