Landesarbeitsgericht Düsseldorf vom 08.10.2024, Aktenzeichen 3 SLa 313/24
Außerordentliche Kündigung wegen Facebook-Post
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hat am 08.10.2024 (Az.: 3 SLa 313/24) einen aufsehenerregenden Fall entschieden. Es ging um die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung wegen Facebook-Posts. Die LAG-Entscheidung liefert eine differenzierte rechtliche Analyse zur Reichweite der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht bei außerdienstlichem Verhalten im digitalen Raum.
Die Urteilsbesprechung übernimmt unser Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht, Christian Wieneke-Spohler.

Christian Wieneke-Spohler
Datum
08.10.2024
Aktenzeichen
3 SLa 313/24
Gericht
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Einordnung
Zentrale Grundlage der Entscheidung ist § 626 Abs. 1 BGB, ergänzt durch die Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes (§ 1 Abs. 2 KSchG).
Eine außerordentliche Kündigung wegen außerdienstlichen Fehlverhaltens kann nur dann wirksam ausgesprochen werden, wenn das Verhalten nach Art, Inhalt und Kontext einen konkreten Bezug zum Arbeitsverhältnis aufweist und dadurch schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt werden.
Eine solche Pflichtverletzung ergibt sich insbesondere dann, wenn durch das Verhalten – etwa über öffentlich einsehbare soziale Netzwerke – der Eindruck einer Verbindung zum Arbeitgeber entsteht.
Dabei gilt: Auch schwerwiegende, mitunter strafrechtlich relevante Äußerungen wie das Billigen von Gewalttaten oder das Fördern antisemitischer Ressentiments führen nicht automatisch zur Rechtfertigung einer fristlosen Kündigung.
Entscheidend bleibt die Frage, ob ein erkennbarer Zusammenhang zwischen dem privaten Verhalten und dem Arbeitsverhältnis besteht.
Dieser Zusammenhang kann bereits dann angenommen werden, wenn der Arbeitnehmer durch eine sichtbare Arbeitgebernennung im sozialen Netzwerk – auch wenn diese nicht mehr aktuell ist – suggeriert, er sei weiterhin mit einem Unternehmen verbunden, das unter derselben Marke wie die aktuelle Arbeitgeberin auftritt.
Die rechtliche Bewertung konzentriert sich dabei weniger auf die strafrechtliche Relevanz der Äußerungen als vielmehr auf die Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten.
Der Arbeitgeber hat ein berechtigtes Interesse daran, nicht durch private Handlungen von Beschäftigten öffentlich in Verbindung mit menschenverachtenden, gewaltverherrlichenden oder diskriminierenden Positionen gebracht zu werden. Dies gilt besonders, wenn – wie hier – eine tatsächliche mediale Aufmerksamkeit die Reputationsrisiken realisiert.
Ein veralteter Verweis auf die Konzernobergesellschaft im Facebook-Profil kann arbeitsrechtlich relevant werden, wenn er faktisch eine Verbindung zur aktuellen Arbeitgeberin suggeriert, die unter derselben Marke auftritt.
Der Sachverhalt
Der Kläger war seit dem 01.09.2017 bei der Beklagten, genauer gesagt deren Rechtsvorgängerin, beschäftigt; zuletzt als Schlosser in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis.
Er unterlag der Betriebsordnung sowie den Business Conduct Guidelines (BCG), die diskriminierendes Verhalten untersagen und arbeitsrechtliche Konsequenzen bei Verstößen vorsehen.
Am 31.10.2023 veröffentlichte der Kläger auf seinem öffentlich zugänglichen Facebook-Profil zwei Beiträge mit antisemitischem und gewaltverherrlichendem Inhalt.
Parallel war in seinem Profil unter „Lebensereignisse“ weiterhin ein Eintrag aus dem Jahr 2017 sichtbar, wonach er bei der Z. AG beschäftigt sei – einem früheren Unternehmensteil der heutigen Beklagten, der weiterhin unter derselben Konzernmarke firmiert.
Ein Hinweisgeber meldete die Beiträge über den Konzernmeldekanal. Die Beklagte veranlasste daraufhin ein Personalgespräch, in dem der Kläger die Beiträge einräumte.
Eine Betriebsratsanhörung erfolgte am 10.11.2023, am 15.11.2023 sprach die Beklagte die fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung aus.
Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage. Er verwies auf seine Meinungsfreiheit, die fehlende Verbindung zum aktuellen Arbeitgeber sowie auf das Fehlen konkreter betrieblicher Störungen.
Die Beklagte argumentierte, die Beiträge seien geeignet gewesen, den Ruf des Unternehmens zu schädigen, insbesondere durch den hergestellten Bezug zur Konzernmarke im Facebook-Profil. Eine vorherige Abmahnung hielt sie nicht für erforderlich.
Urteil und Begründung
ArbG Oberhausen
Bei dem entschiedenen Fall handelt es sich um ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf in zweiter Instanz. Das Verfahren wurde ursprünglich vor dem Arbeitsgericht Oberhausen geführt, das mit Urteil vom 27.03.2024 der Kündigungsschutzklage des Klägers vollumfänglich stattgegeben hatte.
Gegen diese Entscheidung legte die Beklagte Berufung ein.
ArbG Oberhausen
Das LAG Düsseldorf folgte der Argumentation der Beklagten insoweit, als es das Verhalten des Klägers als objektiv geeignet ansah, das Vertrauen in seine Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber zu erschüttern.
Die Veröffentlichung der Beiträge sei nicht lediglich eine unbedachte private Meinungsäußerung gewesen, sondern durch die Angabe des früheren Arbeitgebers im Facebook-Profil in einen Kontext gerückt worden, der geeignet war, das Unternehmen in eine negative öffentliche Wahrnehmung hineinzuziehen.
In der rechtlichen Würdigung stellte das Gericht klar, dass die Angabe eines früheren Arbeitgebers dann relevante arbeitsrechtliche Implikationen entfalten kann, wenn – wie hier – Kontinuität in der Markenidentität und ein enger konzerninterner Zusammenhang bestehen.
Die Tatsache, dass die Angabe veraltet war, entbindet den Arbeitnehmer nicht von der Pflicht, durch einfache technische Maßnahmen (etwa die Löschung des Eintrags) einer möglichen Reputationsbeeinträchtigung seines aktuellen Arbeitgebers vorzubeugen.
Jedoch sei die Kündigung unverhältnismäßig, da das Verhalten als steuerbar einzustufen sei. Der Kläger hätte durch Entfernung der Arbeitgeberangabe im Profil die Bezugnahme vermeiden können.
Auch die Berufungskammer erkannte keine Anhaltspunkte für ein vorsätzliches Herstellen der Verbindung zur Beklagten. Vielmehr habe sich die Pflichtverletzung aus einem sorgfaltswidrigen Unterlassen ergeben. Eine vorherige Abmahnung sei unter diesen Umständen das angemessenere Mittel gewesen.
Besonders hervorzuheben ist die differenzierende Abwägung des Gerichts: Die außerdienstlichen Äußerungen – so problematisch und verurteilenswert sie sind – entfalten erst durch einen erkennbaren Bezug zum Arbeitsverhältnis kündigungsrechtliche Relevanz.
Dieser Bezug war im konkreten Fall gegeben, doch wurde er fahrlässig, nicht vorsätzlich hergestellt. Das bewog die Kammer dazu, eine Abmahnung als milderes Mittel anzusehen.
Unser Fazit
Die Entscheidung des LAG Düsseldorf unterstreicht die rechtlich anspruchsvolle Differenzierung zwischen strafrechtlich relevanten Meinungsäußerungen und ihrer kündigungsrechtlichen Relevanz.
Arbeitgeber müssen sich bewusst sein, dass selbst bei moralisch oder gesellschaftlich inakzeptablem Verhalten eines Mitarbeiters nicht automatisch ein Kündigungsrecht besteht, sofern kein konkreter Bezug zum Unternehmen hergestellt wird.
Arbeitnehmer hingegen sollten soziale Netzwerke nicht als rechtsfreien Raum begreifen. Selbst veraltete Einträge im öffentlichen Profil können arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, wenn durch sie – auch ungewollt – ein Bezug zum aktuellen Arbeitgeber geschaffen wird. Sorgfalt im Umgang mit öffentlich zugänglichen Informationen über das Beschäftigungsverhältnis ist daher unerlässlich.
Weiterführende Links
An dieser Stelle finden Sie das besprochene Urteil sowie weiterführende Links zu Rechtstexten.
- Urteil des LAG Düsseldorf (3 SLa 313/24) vom 08.10.2024 (PDF-Datei)
- § 626 Abs. 1 BGB – Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
- § 1 Abs. 2 KSchG – Soziale Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung
- § 241 Abs. 2 BGB – Rücksichtnahmepflicht
- Art. 5 Abs. 1 GG – Meinungsfreiheit
- § 130 StGB – Volksverhetzung
- § 140 Nr. 2 StGB – Billigung von Straftaten
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