LAG Köln vom 11.07.2024, Aktenzeichen 6 Sa 579/23
Urteil über das Direktionsrecht eines Arbeitgeber
Aus dem Home-Office zurück an den Arbeitsplatz, inklusive Versetzung an eine 500 Kilometer entfernte Betriebsstätte. Diesen Fall hatte das LAG Köln am 11.07.2024 unter dem Aktenzeichen 6 Sa 579/23 zu entscheiden.
Die Urteilsbesprechung übernimmt Kai Höppner, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Medizinrecht in Hamburg.

Kai Höppner
Datum
11.07.2024
Aktenzeichen
6 Sa 579/23
Gericht
Landesarbeitsgericht Köln
Einordnung
Immer wieder werden von Arbeitgebern die Grenzen des Direktionsrechts verkannt.
Die maßgebliche Vorschrift § 106 Gewerbeordnung (GewO) verleiht Arbeitgebern ein Weisungsrecht und damit ein besonders wirkungsvolles Instrument zur Einflussnahme auf Arbeitsbedingungen. Danach können Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung bestimmt werden, sofern gesetzliche, tarifliche oder einzelvertragliche Vorschriften nicht entgegenstehen. § 106 GewO gebietet, dass die Ausübung des Weisungsrechts nach billigem Ermessen erfolgt.
Das setzt voraus, dass die wesentlichen Umstände des Falles abgewogen und die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden. Ob dem so ist, unterliegt richterlicher Kontrolle, so geschehen mit dem richtungsweisenden Urteil des LAG Köln vom 11.3.2024.
Dabei ging es nicht um die Zuweisung eines Arbeitsplatzes mit Home-Office Möglichkeit als milderem Mittel gegenüber einer Kündigung, sondern um den umgekehrten Fall, nämlich die Weisung, aus dem Home-Office zurück in die Präsenz am betrieblichen Arbeitsplatz zu kommen und dies zusätzlich in weiter Entfernung.
Aus dem Home-Office zurück in die Präsenz, inklusive der Versetzung an eine 500 km entfernte Betriebsstätte und hilfsweiser ordentlicher Änderungskündigung: Dagegen klagte ein 55-jähriger Projektmanager.
Der Sachverhalt
Im entschiedenen Fall war der 55-jährige alleinstehende Kläger seit 2017 im Planungs- und Projektmanagement eines Autozulieferer beschäftigt.
In den letzten drei Jahren verrichtete er seine Tätigkeit zu 80 % aus dem Home-Office. Sein Einsatzort war vertraglich auf die gesamte Unternehmensgruppe erstreckt und orientierte sich an deren laufenden Projekten.
Das beklagte Unternehmen schloss die dem Kläger zugeordnete Betriebsstätte und versetzte ihn Ende März 2023 vom bisherigen Standort an eine 500 km entfernte Betriebsstätte.
Die Erlaubnis, am alten Arbeitsplatz im Home-Office zu arbeiten, wurde widerrufen.
Zum 1. Mai 2023 sollte der Kläger seine Präsenztätigkeit an der neuen Betriebsstätte aufnehmen.
Für den Fall der Unwirksamkeit der Versetzung erklärte die Beklagte hilfsweise die ordentliche Änderungskündigung zum 31.05.2023.
Das Urteil
Mit seiner hiergegen erhobenen Klage hatte der Kläger in beiden Instanzen Erfolg.
Das LAG Köln bewertete sowohl den Widerruf der Home-Office-Erlaubnis als auch die Versetzung an den 500 km entfernt liegenden Standort als unbillige und damit unwirksame Ermessensausübung.
Der Kläger habe lange Jahre seine Arbeit im Home-Office beanstandungsfrei ausgeführt. Er betreue Kunden im In- und Ausland überwiegend mit digitalen Mitteln. Die persönliche Zuordnung zu einem bestimmten Standort habe deshalb für seine Tätigkeit keine herausragende Bedeutung.
Wegen seiner familiären, sozialen und kulturellen Bindung an seinen Wohnort habe der Kläger ein überragendes Bestands- und Ortsinteresse, welches das Dispositionsinteresse des Arbeitgebers überwiege.
Die Änderungskündigung hielt das LAG wegen Fehlens dringender betrieblicher Erfordernisse gemäß § 1 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz für unwirksam.
Die Rechtsprechung nimmt „Dringlichkeit“ an, wenn es dem Arbeitgeber nicht möglich ist, der betrieblichen Lage durch andere Maßnahmen auf technischem, organisatorischem oder wirtschaftlichem Gebiet als durch die Kündigung zu entsprechen.
Im vorliegenden Fall hätte eine Neuzuordnung des Arbeitsplatzes zu der neuen Betriebsstätte ausgereicht, um die Weiterbeschäftigung unter Einbeziehung gelegentlicher persönlicher Anwesenheitszeiten an der neuen Betriebsstätte zu ermöglichen.
Änderungen an langjährigen Home-Office-Regelungen sollten einer sorgfältigen Interessenabwägung unterzogen werden.
Unser Fazit
Weiterführende Links
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