LAG Köln vom 06.06.2024, Aktenzeichen 6 Sa 606/23
Vertriebsleiter: Wettbewerbsverbot & fristlose Kündigung
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln hat über die fristlose Kündigung eines Vertriebsleiters entschieden, der E-Mails mit Geschäftsinformationen an ein Konkurrenzunternehmen weiterleitete, an dem er selbst beteiligt war.
Die Urteilsbesprechung übernimmt Kai Höppner, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Hamburg.
Datum
06.06.2024
Aktenzeichen
6 Sa 606/23
Gericht
Landesarbeitsgericht Köln
Einordnung
Im Zentrum des Falls stehen das Wettbewerbsverbot und die fristlose Kündigung gemäß § 626 BGB. Nach diesem Paragrafen ist eine außerordentliche Kündigung möglich, wenn ein wichtiger Grund vorliegt und eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber unzumutbar ist.
Ein solcher Grund kann insbesondere bei einem Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot vorliegen, das sich bei einem bestehenden Arbeitsverhältnis unmittelbar aus der Treuepflicht des Arbeitnehmers ergibt. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, während der Dauer des Arbeitsverhältnisses keine Konkurrenzhandlungen auszuüben, die in direkten oder indirekten Wettbewerb zum Arbeitgeber stehen.
Auch ist es dem Arbeitnehmer untersagt, vertrauliche Informationen des Arbeitgebers an Dritte weiterzugeben (so gem. § 7 Arbeitsvertrag des Klägers).
Gemäß § 626 Abs. 2 BGB muss die Kündigung innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnisnahme der Pflichtverletzung ausgesprochen werden.
Die stets vorzunehmende Interessenabwägung im Kündigungsschutzverfahren berücksichtigt die Schwere des Verstoßes, die Stellung des Arbeitnehmers und das Vertrauensverhältnis.
Eine Abmahnung ist gemäß § 314 Abs. 2 BGB entbehrlich, wenn die Pflichtverletzung so schwerwiegend ist, dass eine Wiederherstellung des Vertrauens nicht mehr zu erwarten ist. Letztlich muss die außerordentliche Kündigung als „ultima ratio“ verhältnismäßig sein.
Mit der Freischaltung der Internetpräsenz beginnt die werbende Tätigkeit der fraglichen Firma. Ob der Kläger die Seite selbst freigeschaltet hat oder ob er selbst (Mehrheits-)Inhaber der Firma war, ist für die Frage, ob die Firma werbend tätig war oder nicht, unerheblich.
Der Sachverhalt
Der Kläger war seit 2014 als Vertriebsleiter in einem Unternehmen der Abfallwirtschaft tätig, dessen Kernaufgabe im Handel und Recycling von Kunststoffen liegt. Im Jahr 2022 gründete er gemeinsam mit seinem Bruder die K GmbH, die ebenfalls im Kunststoffrecycling tätig ist und über eine eigene, öffentlich zugängliche Internetpräsenz verfügt. Der Kläger hielt 30 % der Anteile an der K GmbH, während sein Bruder Geschäftsführer war.
Im Laufe des Jahres 2022 und 2023 leitete der Kläger mehrfach E-Mails mit geschäftlichen Angeboten und Kontaktdaten von Kunden seines Arbeitgebers an die K GmbH weiter, die im Bereich von Beratungs- und Logistikdienstleistungen im Kunststoffrecycling tätig war. Die Arbeitgeberin erfuhr von diesen E-Mail-Weiterleitungen und kündigte dem Kläger daraufhin am 26. Mai 2023 fristlos.
Der Kläger erhob gegen die Kündigung Klage und bestritt, dass ein Wettbewerbsverstoß vorliege. Er argumentierte, dass die K GmbH bis dato keine Umsätze erzielt habe und er nur seinen Bruder um fachlichen Rat gebeten habe. Außerdem sei die Internetseite der K GmbH ohne sein Zutun von seinem Bruder freigeschaltet worden.
Das Urteil
Das LAG Köln bestätigte die fristlose Kündigung und führte aus, dass die Weiterleitung von Kunden-E-Mails an die K GmbH einen erheblichen Vertrauensbruch darstelle. Die K GmbH war durch ihre Internetpräsenz als Konkurrenzunternehmen im Markt aktiv, sodass die Handlung des Klägers als Wettbewerbsverstoß zu werten sei.
Das Gericht hob hervor, dass es für die Wettbewerbsstellung der K GmbH irrelevant sei, ob sie tatsächlich Umsätze generiere oder ob die Freischaltung der Website auf Initiative des Bruders erfolgt sei. Bereits die Internetpräsenz stelle eine aktive Marktwerbung dar, und die Weiterleitung von geschäftlichen E-Mails sei als unerlaubte Unterstützung dieses Wettbewerbers anzusehen.
Die Berufungskammer wies darauf hin, dass der Kläger als Vertriebsleiter eine besondere Verantwortung habe und sich die Vertraulichkeitspflichten unmittelbar aus dem Arbeitsvertrag ergäben. Eine Abmahnung sei aufgrund der Schwere der Vertragsverletzung entbehrlich. Das Gericht stellte zudem klar, dass der angeblich ironische Kommentar „Eine sehr interessante Idee!“ den ernsthaften Wettbewerbsverstoß nicht relativiere. Vielmehr handelte es sich bei den wiederholten Weiterleitungen der E-Mails um eine schwerwiegende Pflichtverletzung, die das Vertrauen des Arbeitgebers nachhaltig erschütterte.
Die fristlose Kündigung sei als Ultima Ratio angemessen, da die Loyalität des Klägers dauerhaft beschädigt sei und eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar mache. Die Klage des Klägers auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung und auf Zahlung weiterer Vergütung wurde abgewiesen.
Das Weiterleiten von Kunden-E-Mails sei eine so schwere Pflichtverletzung, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den betroffenen Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen sei.
Unser Fazit
Das Urteil des LAG Köln verdeutlicht die Bedeutung des Wettbewerbsverbots und der Loyalitätspflichten im Arbeitsverhältnis. Selbst eine indirekte Beteiligung an einem Konkurrenzunternehmen und die Weitergabe vertraulicher Informationen können als erhebliche Verstöße gegen das Arbeitsrecht gewertet werden und eine fristlose Kündigung rechtfertigen.
Für Arbeitnehmer in Führungspositionen zeigt der Fall, dass bereits eine Internetpräsenz des Konkurrenzunternehmens und die Nutzung betrieblicher Informationen ein Vertrauensverhältnis irreparabel beschädigen können. Arbeitgeber sind in solchen Fällen nicht verpflichtet, eine Abmahnung auszusprechen, wenn die Vertragsverletzung von solcher Schwere ist, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar erscheint.
Weiterführende Links
An dieser Stelle finden Sie das besprochene Urteil sowie weiterführende Links zu Rechtstexten.
- LAG Köln (06.06.2024, AZ 6 Sa 606/23): Fristlose Kündigung und Wettbewerbsverbot
- § 1 KSchG: Allgemeine Voraussetzungen für den Kündigungsschutz
- § 626 BGB: Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
- § 314 Abs. 2 BGB: Abmahnungspflicht bei Kündigungen aus wichtigem Grund
- § 97 Abs. 1 ZPO: Kostentragungspflicht der unterlegenen Partei
- § 286 ZPO: Beweiswürdigung durch das Gericht im Zivilprozess
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