Landesarbeitsgericht Köln (7 SLa 378/24) vom 28. Januar 2025
Freigestellter Personalvertreter klagt auf Vergütung
Am 28. Januar 2025 entschied das LAG Köln (Az.: 7 SLa 378/24) über einen komplexen Vergütungsstreit eines langjährig freigestellten Personalvertreters mit Schwerbehinderung. Im Mittelpunkt standen Fragen zur Verbindlichkeit von Lohnabrechnungen, dem Lohnausfallprinzip und den Anspruchsvoraussetzungen für Mehrflugstundenvergütung.
Die Urteilsbesprechung übernimmt unser Hamburger Fachanwalt für Arbeitsrecht, Christian Wieneke-Spohler.

Christian Wieneke-Spohler
Datum
28.01.2025
Aktenzeichen
7 SLa 378/24
Gericht
Landesarbeitsgericht Köln
Einordnung
Zentraler rechtlicher Ausgangspunkt der Entscheidung ist § 108 GewO, wonach Lohnabrechnungen lediglich deklaratorischen Charakter haben und keine konstitutiven Willenserklärungen darstellen. Eine Lohnabrechnung begründet demnach grundsätzlich keinen eigenständigen Anspruch, insbesondere nicht im Sinne eines Schuldanerkenntnisses (§§ 780, 781 BGB).
Für die Vergütung von Personalvertretungstätigkeit gelten die Grundsätze des Lohnausfallprinzips (§ 611a Abs. 2 BGB i.V.m. § 37 Abs. 2 BetrVG), die auch durch den Tarifvertrag Personalvertretung Nr. 2 (TV-PV) gespiegelt werden. Danach besteht Anspruch auf das Arbeitsentgelt, das ohne die Freistellung durch reguläre Tätigkeit erzielt worden wäre. Die Tätigkeit selbst wird als Ehrenamt erbracht (§ 37 Abs. 1 BetrVG, § 179 Abs. 1 SGB IX).
Auch der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, hergeleitet aus Art. 3 Abs. 1 GG, war Gegenstand der gerichtlichen Würdigung. Der Maßstab der vergleichbaren Lage sowie die Darlegungslast des Arbeitnehmers standen hierbei im Fokus.
Schließlich wurde das Thema Verjährung unter Heranziehung der §§ 194 ff. BGB betrachtet, insbesondere in Bezug auf geltend gemachte Ansprüche aus den Jahren 2018 und 2019.
Der Sachverhalt
Der Kläger ist seit dem Jahr 2000 als Flugbegleiter bei der Beklagten, einem großen deutschen Luftfahrtunternehmen, angestellt. Er ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 100 und seit dem 31. Mai 2022 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt.
Bereits seit dem 7. Juni 2017 war er vollständig von seiner Tätigkeit freigestellt, um als Mitglied der Gruppenvertretung Kabine sowie als Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen tätig zu sein. Diese Funktionen übte er im Rahmen eines Ehrenamts aus.
Auf das Arbeitsverhältnis fanden der Manteltarifvertrag Nr. 2 für das Kabinenpersonal (MTV) und der Tarifvertrag Personalvertretung Nr. 2 (TV-PV) Anwendung. Freigestellte Personalvertretungsmitglieder erhalten keine Einsatzpläne und leisten keine tatsächlichen Flugstunden. Sie erhalten stattdessen eine Mehrflugstundenausgleichszulage, die sich nach den durchschnittlichen Mehrflugstunden vergleichbarer Kolleginnen und Kollegen richtet.
Nach einem obsiegenden Kündigungsschutzverfahren stellte die Beklagte im August 2023 eine Gehaltsabrechnung mit einer Nachzahlung von 6.977,49 Euro netto aus. Im September 2023 erfolgte eine korrigierte Abrechnung, die eine Nachforderung von 5.819,74 Euro zugunsten der Beklagten auswies. Daraufhin forderte die Krankenkasse des Klägers einen Betrag von 2.233,36 Euro zurück, da offenbar ein zu hoher Krankengeldbetrag gezahlt wurde.
Der Kläger erhob Klage mit mehreren Forderungen: Zahlung der in der ursprünglichen Abrechnung ausgewiesenen Nachzahlung, Schadensersatz wegen der Rückforderung durch die Krankenkasse und eine Nachvergütung für angeblich geleistete Mehrflugstunden in den Jahren 2018 bis 2020 in Höhe von 41.110,89 Euro brutto. Dabei machte er geltend, seine Tätigkeiten als Personalvertreter und Vertrauensperson der Schwerbehinderten stellten eine gleichwertige Belastung wie tatsächliche Flugstunden dar. Er berief sich zudem auf den Gleichbehandlungsgrundsatz, da vergleichbare schwerbehinderte Beschäftigte während der Coronapandemie unter Kurzarbeit 0 bei voller Vergütung standen – ihm sei dies verwehrt geblieben.
Die Beklagte wies alle Ansprüche zurück und machte geltend, dass die Lohnabrechnung keine Anspruchsgrundlage darstelle, die Tätigkeit als Personalvertreter ein Ehrenamt sei und keine tatsächlichen Flugstunden geleistet worden seien. Die Korrektur der Abrechnung sei auf Grundlage eines rechtskräftigen Urteils des Arbeitsgerichts Frankfurt erfolgt. Für die Jahre 2018 und 2019 berief sie sich zudem auf die Verjährung.
Das Urteil
Das Landesarbeitsgericht Köln bestätigte das Urteil des Arbeitsgerichts Köln (Az. 13 Ca 7167/23) und wies die Berufung des Klägers als unbegründet zurück.
Lohnabrechnungen seien keine rechtsverbindlichen Willenserklärungen, sondern reine Wissenserklärungen. Eine fehlerhafte Abrechnung könne jederzeit berichtigt werden, insbesondere wenn sie – wie hier – auf einer unzutreffenden tariflichen Grundlage beruhe. Auch fehlerhafte Abrechnungen begründeten keine bindende Rechtsposition für den Arbeitnehmer.
Ein Zahlungsanspruch aus seiner Tätigkeit als Personalvertreter oder Vertrauensperson könne nicht hergeleitet werden. Diese Tätigkeiten seien nach § 37 TV-PV und § 179 Abs. 1 SGB IX ehrenamtlich. Eine Vergütung darüber hinaus widerspreche dem Lohnausfallprinzip, das nur solche Entgeltbestandteile abdecke, die auch ohne Freistellung hypothetisch verdient worden wären. Eine solche hypothetische Berechnung hatte der Kläger jedoch nicht nachvollziehbar dargelegt.
Auch der geltend gemachte Schadensersatzanspruch wegen der Rückforderung durch die Krankenkasse scheiterte – es fehle sowohl an einer Pflichtverletzung der Beklagten als auch an einem nachweisbaren Schaden.
Der Vergleich mit Arbeitnehmern in Kurzarbeit sei ungeeignet, um einen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu begründen. Der Kläger befand sich nicht in einer vergleichbaren Lage, da er durchgehend mit voller Vergütung freigestellt war.
Schließlich seien die geltend gemachten Ansprüche für 2018 und 2019 verjährt. Eine unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) durch Berufung auf die Verjährung sei nicht feststellbar.
Unser Fazit
Das Urteil verdeutlicht die rechtlichen Grenzen der Vergütung ehrenamtlicher Personalvertretungstätigkeit im Arbeitsverhältnis. Das Lohnausfallprinzip gewährt keinen Anspruch auf fiktive oder hypothetische Entgelte, die nicht konkret dargelegt werden. Auch eine Schwerbehinderung des Arbeitnehmers oder seine vollständige Freistellung führen nicht zu einer Gleichstellung mit aktiv tätigen Beschäftigten in Kurzarbeit.
Für Arbeitgeber bietet das Urteil eine klare Absicherung bei der Korrektur von Lohnabrechnungen.
Arbeitnehmervertretungen erhalten eine wichtige Klarstellung, dass Mehrflugstundenvergütungen nur unter konkreter Darlegung eines hypothetischen Leistungsbildes beansprucht werden können – nicht pauschal durch Berufung auf die Gremientätigkeit.
Weiterführende Links
An dieser Stelle finden Sie das besprochene Urteil sowie weiterführende Links zu Rechtstexten.
- Landesarbeitsgericht Köln, 13 Ca 7167/23: Lohnabrechnung; Vergütung Personalvertretungstätigkeit
- § 108 Gewerbeordnung: Abrechnung des Arbeitsentgelts
- § 611a BGB: Arbeitsvertrag
- § 199 BGB: Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Verjährungshöchstfristen
- § 7 Bundesurlaubsgesetz: Zeitpunkt, Übertragbarkeit und Abgeltung des Urlaubs
- Art 3 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
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