Urteil des LAG BW zur Abmahnung eines Vorgesetzten
Küchenhilfe verlangt von Arbeitgeber Abmahnung
Abmahnungen werden in der Regel als Reaktionen des Arbeitgebers auf arbeitnehmerseitiges Fehlverhalten vor Ausspruch einer Kündigung verstanden. Tatsächlich hat das BAG schon sehr früh entschieden, dass das Recht – und die Pflicht – zur Abmahnung auf beiden Seiten bestehe.
Die Besprechung des Falls einer Küchenhilfe gegen den Vorgesetzten übernimmt unser Fachanwalt für Arbeitsrecht Christian Wieneke-Spohler.
Datum
27.05.2024
Aktenzeichen
9 Sa 9/24
Gericht
LAG Baden-Württemberg
Einordnung
Das Recht und die Pflicht zur Abmahnung besteht laut BAG-Urteil vom 28.10.1971 – 2 AZR 15/71 (Missachtung von Arbeitszeitvorschriften durch den Arbeitgeber) auf beiden Seiten.
Die Abmahnung ist Wirksamkeitsvoraussetzung für eine auf vertragswidriges Verhalten gestützte einseitige Auflösung des Arbeitsverhältnisses (im Falle des Arbeitnehmers ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist).
Der notwendige Inhalt einer Abmahnung wird durch ihre Funktionen bestimmt. Die Rügefunktion verlangt die genaue Beschreibung des Fehlverhaltens nach Art, Ort und Zeit. Schlagwortartige oder pauschale Wendungen werden dieser Funktion nicht gerecht. Die Warnfunktion erfordert den Hinweis auf die konkrete Bestandsgefährdung des Arbeitsverhältnisses im Wiederholungsfall.
Der Arbeitgeber hielt den Antrag der Küchenhilfe für unbegründet, „denn das Recht der Abmahnung sei dem Arbeitgeber bzw. weisungsberechtigten Vorgesetzten vorbehalten“.
Der Sachverhalt
Die als Küchenhilfe beschäftigte Klägerin verlangte von ihrem Arbeitgeber, ihren Vorgesetzten abzumahnen. Vor dem LAG stellte sie u.a. den Antrag:
„Die Beklagte wird verurteilt, gegen Herrn Z., der mehrfach in 2023 während der Arbeit mit geballten Fäusten in der Küche der Beklagten vor die Klägerin trat, sie bedrohte und mit den Worten anschrie „Du hast hier nichts zu sagen!“ und „Halt die Klappe“, abzumahnen.“
Der Arbeitgeber hielt den Antrag für unbegründet, „denn das Recht der Abmahnung sei dem Arbeitgeber bzw. weisungsberechtigten Vorgesetzten vorbehalten“.
Das Urteil
Das LAG sprach der Klägerin grundsätzlich das Recht zur Abmahnung zu. In dem Leitsatz zu 2. des Urteils heißt es:
„Bei einem schwerwiegenden Fehlverhalten eines Vorgesetzten kann der auf diese Weise angegangene Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch nach § 241 Abs. 2 BGB, ggfs. I.V. mit § 3 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit § 5 Abs. 3 Nr. 6 Arbeitsschutzgesetz gegenüber seinem Arbeitgeber haben, dass dieser situationsadäquate Maßnahmen gegenüber dem sich fehlverhaltenden Vorgesetzten ergreift. Unter Umständen kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber verlangen, dass dieser den Vorgesetzten abmahnt. Allerdings muss das abzumahnende Fehlverhalten des Vorgesetzten im Klagantrag des Arbeitnehmers bestimmt bezeichnet werden…“.
Im vorliegenden Fall verneinte das LAG die bestimmte Bezeichnung des Fehlverhaltens, da die Klägerin kein Datum benannt habe, an dem sich die von ihr gegenüber dem Vorgesetzten erhobenen Vorwürfe ereignet haben sollten. Der in dem Klagantrag verwandte Begriff „mehrfach“ sei zu pauschal und unbestimmt. Die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts wurde allein aus diesem Grunde zurückgewiesen.
In der Begründung heißt es dazu: „… würde Herr Z. hiergegen (gegen die Abmahnung) gerichtlich vorgehen, wäre die Beklagte wegen der Unbestimmtheit der Abmahnung verpflichtet, diese aus der Personalakte zu entfernen, weil sie nicht den Zeitpunkt des Fehlverhaltens von Herrn Z. konkret benennt. Ohne Angabe eines konkreten Datums, zu dem sich das Fehlverhalten des Vorgesetzten ereignet hat, kann die Klägerin unter keinem denkbaren Gesichtspunkt verlangen, dass die Beklagte zu ihrem Schutz tätig wird und den Vorgesetzten abmahnt“.
Ohne Angabe eines konkreten Datums, zu dem sich das Fehlverhalten des Vorgesetzten ereignet hat, kann die Klägerin unter keinem denkbaren Gesichtspunkt verlangen, dass die Beklagte zu ihrem Schutz tätig wird und den Vorgesetzten abmahnt
Unser Fazit
Die grundsätzlich zulässige Aufforderung an den Arbeitgeber zur Abmahnung beanstandungswürdigen Fehlverhaltens eines Vorgesetzten ist so zu begründen, wie es die Begründung einer Abmahnung selbst verlangt.
Weiterführende Links
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