Zugang einer Kündigung: Klarheit durch BAG-Urteil

Zugang einer Willenserklärung (Kündigung)

Eine Arbeitnehmerin und ihr Arbeitgeber stritten darüber, wann die Kündigung zugestellt wurde. Das Gericht beschäftigte sich intensiv mit dem Zugang einer Willenserklärung und der allgemeinen Verkehrsanschauung. 

Die Urteilsbesprechung übernimmt Christian Wieneke-Spohler, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Hamburg.

Portrait von Christian Wieneke-Spohler, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt
Christian Wieneke-Spohler

Datum

20.06.2024

Aktenzeichen

2 AZR 213/23

Gericht

Bundesarbeitsgericht (BAG)

Einordnung

Im vorliegenden Fall geht es um die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses und den Zeitpunkt, zu dem diese wirksam wurde. Das zentrale rechtliche Kriterium ist der Zugang der Kündigungserklärung gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach eine Willenserklärung unter Abwesenden dann als zugegangen gilt, wenn sie derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt, dass unter normalen Umständen mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist.

Für die Bestimmung des Zugangszeitpunkts ist die allgemeine Verkehrsanschauung maßgeblich, insbesondere die Frage, wann eine Leerung des Briefkastens gewöhnlich zu erwarten ist. Dies wurde im Fall durch den Beweis des ersten Anscheins untermauert, der bei typischen Geschehensabläufen greift, etwa wenn ein Kündigungsschreiben zu den üblichen Postzustellzeiten in einen Hausbriefkasten eingeworfen wurde.

Die Kündigung wurde zu den üblichen Postzustellzeiten zugestellt, wodurch der Beweis des ersten Anscheins für den Zugang am 30. September 2021 spricht.

Der Sachverhalt

Die Klägerin und der Beklagte hatten in ihrem Arbeitsvertrag eine Kündigungsfrist von einem Vierteljahr zum Quartalsende vereinbart. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2021. Die Kündigung wurde per Einwurf-Einschreiben am 30. September 2021 zugestellt. Die Klägerin bestritt, dass das Schreiben an diesem Tag zugegangen sei, und argumentierte, es sei erst am 1. Oktober 2021 zugegangen, wodurch das Arbeitsverhältnis bis zum 31. März 2022 fortbestehe.

er Beklagte vertrat hingegen die Auffassung, dass der Zugang des Schreibens am 30. September 2021 erfolgt sei, was durch die übliche Praxis der Postzustellung gestützt werde.

Das Urteil

Das Bundesarbeitsgericht hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Es bestätigte, dass das Kündigungsschreiben am 30. September 2021 zugegangen sei, da es zu den üblichen Postzustellzeiten in den Hausbriefkasten der Klägerin eingeworfen wurde.

Das Gericht bekräftigte den Beweis des ersten Anscheins, der typischerweise für den Zugang eines Schreibens spricht, wenn es in verkehrsüblicher Weise zugestellt wurde. Die Klägerin konnte keine atypischen Umstände darlegen, die einen abweichenden Geschehensablauf nahelegen könnten. Der Anscheinsbeweis wurde daher nicht erschüttert.

Die allgemeine Verkehrsanschauung ist entscheidend für die Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem eine Willenserklärung zugeht.

Unser Fazit

Dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung der allgemeinen Verkehrsanschauung bei der Bestimmung des Zugangszeitpunkts einer Kündigung. Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist es wichtig zu wissen, dass eine Kündigung bereits dann als zugegangen gilt, wenn sie unter gewöhnlichen Umständen im Machtbereich des Empfängers gelangt, und nicht unbedingt, wenn der Empfänger tatsächlich davon Kenntnis nimmt. Dies erhöht die Rechtssicherheit, indem es klare Maßstäbe für den Zugang von Kündigungen setzt.

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