Urteil zur Zustellung von Kündigung

Zustellung einer Kündigung besser per Bote

Welches Risiko in einer Kündigung oder Abmahnung liegt, die nicht per Boten zugestellt wurde, zeigt ein vom LAG Baden-Württemberg entschiedener Fall. Die Urteilsbesprechung übernimmt Kai Höppner, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Hamburg.

Portraitfoto von Kai Höppner, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Hamburg
Fachanwalt
Kai Höppner

Datum

12.12.2023

Aktenzeichen

15 SA 20/23

Gericht

LAG Baden-Württemberg

Der Sachverhalt

Die Klägerin, eine medizinische Fachangestellte in einer Augenarztpraxis, wurde verdächtigt, drei nicht stattgefundene Corona-Impfungen ihres Ehemanns in dessen Impfpass eingetragen zu haben. Der Arbeitgeber reagierte darauf mit wiederholten außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigungen.

In der Berufungsinstanz vor dem LAG Baden-Württemberg kam es auf den Zugang einer Kündigung vom 26.07.2022 an. Das entsprechende Kündigungsschreiben war per Einwurf-Einschreiben versandt worden. Die Klägerin bestritt den Zugang der Kündigung.

Dadurch war die Arztpraxis in der Pflicht, den Zugang nach § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zu beweisen. Diese Vorschrift regelt das „Wirksamwerden der Willenserklärung gegenüber Abwesenden“: Die Wirksamkeit tritt danach in dem Zeitpunkt ein, in welchem sie dem abwesenden Empfänger „zugeht“. Vollendet ist der Zugang, wenn die Kenntnisnahme durch den Empfänger möglich und nach allgemeinen Verständnis zu erwarten ist.

Die Wirksamkeit einer Kündigung tritt ein, wenn sie dem abwesenden Empfänger „zugeht“. Vollendet ist der Zugang, wenn die Kenntnisnahme durch den Empfänger möglich und nach allgemeinen Verständnis zu erwarten ist.

Das Urteil

Der Arbeitgeber legte zum Beweis des Zugangs des Kündigungsschreibens den Einlieferungsbeleg und den Sendestatus der Deutschen Post vor.

Nach Auffassung des LAG war damit der Beweis des Zugangs nicht erbracht. Denn der Einlieferungsbeleg beweise nur, dass der Arbeitgeber ein Schreiben – mit unbekanntem Inhalt – als Einwurf-Einschreiben an den Adressaten bei der Post aufgegeben habe.

Der Sendungsstatus allein lege nicht den Namen des Zustellers offen und ebenso wenig enthalte dieser eine technische Reproduktion der Unterschrift des Zustellers.

Das LAG gab den Hinweis, dass der Absender innerhalb von 15 Monaten nach der Aufgabe des Einwurf-Einschreibens bei der Deutschen Post einen Auslieferungsbeleg beantragen könne, der die Zustellung belege. Dieser Beleg zeige, welcher Zusteller das Schreiben wann zugestellt habe. Der Zusteller könne dann als Zeuge benannt werden.
Im vorliegenden Fall blieb die Augenarztpraxis den Auslieferungsbeleg schuldig, so dass die Kündigung unwirksam war; das Arbeitsverhältnis bestand mithin fort.

Ein Auslieferungsbeleg des Einwurf-Einschreibens der Deutschen Post bietet nur einen Anscheinsbeweis des Zugangs einer Kündigung.

Unser Fazit

1) Anscheinsbeweis

Selbst wenn ein Arbeitgeber den ergänzenden Hinweis des LAG befolgt, ist damit der Zugangsnachweis noch nicht gesichert. Denn der vom LAG empfohlene Ausweg führt nur scheinbar zum Ziel. Zum einen ist fraglich, ob der namentlich identifizierte und als Zeuge zu benennende Zusteller die gewünschte Aussage macht. Erfahrungsgemäß ist er bei monatelang zurückliegender Zustellung angesichts zwischenzeitlich erfolgter zahlreicher weiterer Zustellungen dazu nicht in der Lage.

Mit dem Gelingen eines solchen Beweises wäre allerdings auch nur ein sog. Anscheinsbeweis geschaffen, der erschüttert werden kann, indem vom Kläger Tatsachen vorgetragen und bewiesen werden, die die Möglichkeit eines anderen (atypischen) Geschehensablaufs aufzeigen.

2) Bote vermeidet Schwierigkeiten

Die Schwierigkeiten derartiger Beweisanforderungen werden vermieden, indem die Zustellung durch einen Boten erfolgt. Dieser sollte bei der Unterschrift persönlich zugegen sein, das Kündigungsschreiben einkuvertieren, den Brief selbst verschließen, diesen dem Empfänger übergeben oder den Brief in dessen Hausbriefkasten einwerfen und hierüber einen schriftlichen Vermerk über Zeit und Ort der Zustellung mit persönlicher Unterschrift fertigen.

3) Abmahnungen

Die obigen Ausführungen gelten sinngemäß genauso für Abmahnungen.

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