Landesarbeitsgericht Düsseldorf vom 14.01.2025, Aktenzeichen 3 SLa 317/24

Verlässlichkeit von Zusagen in der Endphase der Probezeit

Wie verlässlich sind Zusagen aus der Personalabteilung in der Endphase der Probezeit? Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat sich in seinem Urteil vom 14. Januar 2025 (Az. 3 SLa 317/24) mit genau dieser Frage befasst.

Ein Prokurist und entscheidungsbefugter Abteilungsleiter hatte einem Mitarbeitenden kurz vor Ende von Probe- und sechsmonatiger Wartezeit nach dem KSchG zugesichert, man werde ihn „natürlich“ übernehmen.

Tage später erfolgte jedoch im Namen des Arbeitgebers eine ordentliche Kündigung. Die Vorinstanz am Arbeitsgericht Düsseldorf hatte diese Kündigung trotz der widersprüchlichen Zusage noch als wirksam gewertet. 

Die Urteilsbesprechung übernimmt unser Fachanwalt aus Hamburg, Christian Wieneke-Spohler.

Portrait von Christian Wieneke-Spohler, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt
Christian Wieneke-Spohler

Datum

14.01.2025

Aktenzeichen

3 SLa 317/24

Gericht

Landesarbeitsgericht Düsseldorf

Einordnung

Im deutschen Arbeitsrecht sind Probezeitkündigungen grundsätzlich ohne Begründung möglich, solange die Wartezeit des Kündigungsschutzgesetzes (§ 1 Absatz 1 KSchG) von sechs Monaten nicht erfüllt ist.

Außerhalb des Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes kann jedoch der Schutz über die Generalklausel des § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (Treu und Glauben) greifen. Nach ständiger Rechtsprechung entfaltet § 242 BGB in dieser Konstellation Wirkung, wenn das Verhalten des Arbeitgebers in einem unvereinbaren Gegensatz zu früheren Zusicherungen steht („venire contra factum proprium“).

Dabei ist im Lichte von Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz das schutzwürdige Interesse der Mitarbeitenden an ihrem Arbeitsplatz zu berücksichtigen, ohne jedoch dem Arbeitgeber außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes die gleichen Anforderungen an die soziale Rechtfertigung aufzuerlegen.

Für die Geltendmachung einer treuwidrigen Kündigung trägt die betroffene Person eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Zunächst muss ein Sachverhalt vorgetragen werden, der auf eine Treuwidrigkeit hindeutet, etwa eine vorherige Zusage. Erfolgt daraufhin keine substanzielle Erwiderung des Arbeitgebers, gilt der Vortrag als zugestanden (§ 138 Absatz 2, 3 Zivilprozessordnung).

Die Besonderheit des hier besprochenen Falls liegt in der Frage, ob das Versprechen eines Prokuristen mit Personalentscheidungsbefugnis ein solches Vertrauen begründet, dass eine spätere Probezeitkündigung treuwidrig wird – und ob ein sachlicher Grund für den Meinungsumschwung erforderlich gewesen wäre.

Erklärt der Vorgesetzte eines in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses … erweist sich die Kündigung wegen widersprüchlichen Verhaltens als treuwidrig und damit nach § 242 BGB nichtig.

Der Sachverhalt

Der 1993 geborene Kläger trat am 15. Juni 2023 in den Dienst eines Konzerns dreier Rückversicherungsgesellschaften in Düsseldorf, der über 200 Mitarbeitende beschäftigt und durch einen Betriebsrat vertreten wird. Als Wirtschaftsjurist in der Abteilung Recht/Compliance erhielt er ein unbefristetes Anstellungsverhältnis mit einer sechsmonatigen Probezeit (§ 3 Anstellungsvertrag). Abteilungsdirektor und Dienstvorgesetzter war Herr U., der gleichzeitig Prokurist und für Personalentscheidungen zeichnungsberechtigt war.

Am 17. November 2023, kurz vor Ablauf der sechsmonatigen Probe- und Wartezeit, fand ein Jour Fixe statt. Im Anschluss teilte Herr U. dem Kläger mit, er habe von der Personalabteilung die Frage erhalten, ob eine Übernahme nach der Probezeit erfolgen solle, und habe darauf geantwortet: „Das tun wir natürlich.“ Der Kläger bedankte sich und zeigte sich erfreut.

Am 4. Dezember 2023 erfolgte die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats mit der Absicht einer ordentlichen Probezeitkündigung zum 22. Dezember 2023, hilfsweise mit einer längeren Frist bis 30. Juni 2024 als sozialverträgliche Auslauffrist. Der Betriebsrat stimmte zu. Am 8. Dezember 2023 bot Herr U. dem Kläger erneut eine befristete Verlängerung bis Juni 2024 als Alternative an, was der Kläger ablehnte. Noch am selben Tag wurde die Kündigung schriftlich zum 22. Dezember, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin, ausgesprochen. Das Kündigungsschreiben ging am 11. Dezember zu.

Der Kläger erhob daraufhin Klage beim Arbeitsgericht Düsseldorf (Az. 14 Ca 5900/23), das die Klage am 17. April 2024 abwies. Zur Begründung führte das Gericht unter anderem an, die mündliche Zusage enthalte keinen rechtsgeschäftlichen Willen zur Verkürzung der Wartezeit und verneinte eine treuwidrige Behandlung.

Das Urteil

Mit der Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf machte der Kläger erneut geltend, die Zusage habe ein berechtigtes Vertrauen auf einen dauerhaften Fortbestand des Arbeitsverhältnisses begründet und sei als verlässliche Willenserklärung zu werten.
Das LAG Düsseldorf hat am 14. Januar 2025 entschieden, dass die ordentliche Probezeitkündigung vom 8. Dezember 2023 wegen treuwidrigen, widersprüchlichen Verhaltens des Arbeitgebers (§ 242 BGB) nichtig ist.

Die entscheidenden Gründe waren:

Vertrauensbildung durch Zusage des Prokuristen

Herr U. war als Prokurist und zeichnungsberechtigter Abteilungsleiter unstreitig befugt, Willenserklärungen abzugeben. Seine Aussage „Das tun wir natürlich“ begründete bei dem im letzten Monat der Probezeit stehenden Kläger das berechtigte Vertrauen, dass die Probe- und Wartezeit bestanden seien und eine Kündigung nicht mehr zu erwarten sei.

Fehlende sachliche Rechtfertigung für den Meinungsumschwung

Zwischen der Zusage am 17. November und der Kündigung am 8. Dezember traten keine Vorkommnisse auf, die einen erneuten Prüf- oder Kündigungsgrund hätten rechtfertigen können. Die Beklagten machten hierzu keine konkreten Darlegungen und verletzten damit ihre Darlegungslast nach § 138 Zivilprozessordnung.

Das Landesarbeitsgericht hat offengelassen, ob alternativ eine vorzeitige Verkürzung der Wartezeit oder eine fehlerhafte Betriebsratsanhörung vorlag, und stellte fest, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat. Die Revision wurde nicht zugelassen; die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.

Für solche, ein durch die übrigen Umstände bereits hinreichend indiziertes widersprüchliches und damit treuwidriges Verhalten rechtfertigende Umstände ist der Arbeitgeber im Rahmen seiner gestuften Darlegungslast darlegungspflichtig.

Unser Fazit

Das Urteil verdeutlicht, dass Arbeitgeber bereits in der sensiblen Abschlussphase einer Probezeit neben den formalen Regelungen auf jede Aussage ihrer zeichnungsberechtigten Vertreter achten müssen.

Ein einmal begründetes Vertrauen kann nicht durch eine nachfolgende Kündigung unterlaufen werden, wenn keine nachvollziehbare, sachliche Änderung der Bewertung vorliegt.

Für Mitarbeitende bedeutet dies: Zusagen autorisierter Führungskräfte können eine starke Schutzwirkung entfalten. Betriebsräte sollten in Anhörungen stets klar zwischen verschiedenen Kündigungsvarianten unterscheiden, um Informationsdefizite zu vermeiden.

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Portrait von Christian Wieneke-Spohler, Fachanwalt für Arbeitsrecht
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Portraitfoto von Kai Höppner, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Hamburg
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