BAG-Urteil vom 12.02.2025, Aktenzeichen 5 AZR 171/24

Widerruf der privaten Nutzung eines Dienstwagens

Am 12. Februar 2025 entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) unter dem Aktenzeichen 5 AZR 171/24 über die Rechtmäßigkeit des Widerrufs der privaten Nutzung eines Dienstwagens und den daraus resultierenden Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung.

Der Fall behandelt grundlegende Fragen zur Ausübung von Widerrufsklauseln in Arbeitsverträgen, zur Angemessenheit einseitiger Leistungsbestimmungen sowie zu steuerlichen Implikationen. Das Urteil bietet wegweisende Klarstellungen zur Billigkeitskontrolle gemäß § 315 BGB.

Die Urteilsbesprechung übernimmt unser Fachanwalt für Arbeitsrecht und Medizinrecht, Kai Höppner.

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Fachanwalt
Kai Höppner

Datum

12.02.2025

Aktenzeichen

5 AZR 171/24

Gericht

Bundesarbeitsgericht

Einordnung

Im Mittelpunkt des Falls steht die arbeitsvertraglich vereinbarte Möglichkeit der Arbeitgeber, die private Nutzung eines Dienstwagens zu widerrufen (§ 10 Abs. 2 des Arbeitsvertrags).

Außerdem wird die rechtliche Kontrolle solcher Widerrufsentscheidungen gemäß § 315 BGB behandelt. Solche Widerrufsvorbehalte unterliegen einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle gemäß §§ 305 ff. BGB, insbesondere § 308 Nr. 4 BGB, da sie die Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses betreffen und somit das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung beeinflussen.

Die Privatnutzung eines Dienstwagens gilt als geldwerter Vorteil und ist Teil der Arbeitsvergütung (§ 107 Abs. 2 GewO), dadurch ist sie nur unter engen Voraussetzungen einseitig entziehbar. Grundsätzlich ist die Arbeitgeberseite verpflichtet, diesen Vorteil während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses zu gewähren (§ 611a BGB).
Ein Widerruf muss dabei dem Grundsatz des billigen Ermessens (§ 315 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 BGB) entsprechen.

Ein Widerruf der Privatnutzung eines Dienstwagens ist nur dann ermessensgerecht, wenn auch steuerliche Auswirkungen für den Arbeitnehmer angemessen berücksichtigt werden.

Der Sachverhalt

Der Kläger war in leitender Position bei einer Betreiberin von Seniorenzentren beschäftigt und bezog ein Monatsgehalt von 10.457 EUR brutto sowie einen Mittelklasse-Dienstwagen zur privaten Nutzung, dessen steuerlicher Nutzungswert monatlich mit 457 EUR brutto angesetzt wurde.

Im Mai 2023 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen zum 31. August 2023 und stellte den Kläger umgehend frei. Gleichzeitig forderte sie die Rückgabe des Dienstwagens zum 24. Mai, was der Kläger am 23. Mai umsetzte.

Der Kläger verlangte daraufhin eine Nutzungsausfallentschädigung für die entgangene Privatnutzung von Mai bis August 2023 in Höhe von 1.508,10 EUR netto, unter Verweis auf eine unbillige Ermessensausübung nach § 315 BGB.

Die Beklagte berief sich auf die vertragliche Widerrufsklausel und verwies auf die berechtigte Freistellung während der Kündigungsfrist.

Das Urteil

Das Bundesarbeitsgericht bestätigte grundsätzlich die Wirksamkeit der Widerrufsklausel im Arbeitsvertrag. Diese hält sowohl der AGB-rechtlichen Kontrolle als auch dem Transparenzgebot nach § 308 Nr. 4 BGB stand. Die Klausel sei hinreichend klar gefasst und kalkulierbar.

Der Widerruf der privaten Nutzung des Dienstwagens bei einer berechtigten Freistellung nach Kündigung sei prinzipiell zumutbar und bedürfe keiner Änderungskündigung, solange er weniger als 25 % des Gesamtentgelts betreffe.

Jedoch habe die Beklagte das ihr zustehende Widerrufsrecht nicht mit der erforderlichen Rücksicht auf die steuerlichen Konsequenzen für den Kläger ausgeübt. Da der geldwerte Vorteil aus der Dienstwagennutzung steuerlich nur monatsweise berücksichtigt werde, verursache ein untermonatiger Entzug eine steuerliche Belastung ohne entsprechende Nutzungsmöglichkeit.

Angesichts dessen entschied das Bundesarbeitsgericht, dass der Widerruf nicht zum 24. Mai, sondern erst zum 31. Mai 2023 wirksam hätte erfolgen dürfen. Daraus folge ein Anspruch des Klägers auf Nutzungsausfallentschädigung für den Zeitraum vom 23. bis 31. Mai in Höhe von 137,10 EUR brutto.

Für die Monate Juni bis August 2023 bestätigte das Bundesarbeitsgericht hingegen die Wirksamkeit des Widerrufs, da in diesem Zeitraum keine unverhältnismäßige Benachteiligung des Klägers vorlag. Der Schadensersatzanspruch sei als Bruttobetrag zu gewähren, da er an die Stelle der steuerpflichtigen Naturalvergütung trete.

Die arbeitsvertragliche Entziehungsmöglichkeit der Dienstwagennutzung hält der AGB-Kontrolle stand, bedarf jedoch einer Billigkeitsprüfung im konkreten Einzelfall.

Unser Fazit

Das BAG-Urteil konkretisiert die Anforderungen an die Ausübung arbeitsvertraglicher Widerrufsrechte durch Arbeitgeber.

Es bestätigt die grundsätzliche Zulässigkeit eines entschädigungslosen Entzugs der Privatnutzung eines Dienstwagens bei wirksamer Freistellung, verlangt aber eine ermessensgerechte Berücksichtigung der steuerlichen Folgen für die Mitarbeitenden.

Für Arbeitgeber bedeutet dies eine erhöhte Prüfpflicht im Umgang mit Widerrufsklauseln, während Arbeitnehmer auf eine sorgfältige Ausübung des Ermessens vertrauen können.

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Portrait von Christian Wieneke-Spohler, Fachanwalt für Arbeitsrecht
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